■ Welche Politik gegenüber dem Regime in China?: Grenzen des Realismus
Den Chinesen sollte es in den Ohren dröhnen angesichts der Proteste wegen ihres Atombombenversuchs und angesichts der fortdauernden Unterdrückung der Menschenrechte. Aber es ist zweifelhaft, ob die chinesische Führung mehr als ein sehr mildes Lüftchen verspüren wird. Japans Entscheidung, die Übersee-Entwicklungshilfe für China zu begrenzen, überschreitet tatsächlich eine Schwelle. Das provokatorische Timing des Atomtests unmittelbar nach der Verlängerung des Nonproliferations-Abkommens konnte einfach nicht ignoriert werden. Aber die japanische Regierung wird ihre Entscheidung bei künftigen Hilfeleistungen nur „in Rechnung stellen“, und hinsichtlich normaler Kredite gibt es keine Änderung.
Der amerikanische Druck auf China zur Einhaltung der Menschenrechte ist eh dahin, seit Präsident Clinton die Erneuerung des Meistbegünstigungsabkommens von dem empfindlichen Thema abgekoppelt hat. Jetzt sind es die Einschränkungen des Handels, nicht die Unterdrückung der Dissidenten, die Sanktionen gegen China heraufbeschwören. Diese paradoxe Verkehrung hat die chinesischen Menschenrechtsaktivisten nicht von einer neuen, wichtigen Initiative abgehalten. Erstmals seit 1989 haben sich chinesische Intellektuelle mit dem harten Kern der Dissidenten vereint, um zu einer größeren Toleranz im politischen Leben aufzurufen. Sie fordern die Entlassung aller, die wegen ihrer „Ideen, Ansichten, ihrer Religion oder ihrer Äußerungen“ eingesperrt worden sind.
Das Dokument kritisiert die Kommunistische Partei nicht direkt. Dadurch hoffen die Unterzeichner auf Unterstützung aus dem reformorientierten Parteilager, das allmählich wieder auftaucht. Aber trotz dieses Dokuments praktiziert der chinesische Sicherheitsapparat anläßlich des sechsten Jahrestages des Tiananmen-Massakers die übliche Verhaftungsroutine, wobei er der internationalen öffentlichen Meinung noch mehr Verachtung zeigt als sonst.
Weit mehr als das Schicksal der Menschenrechte treibt das westliche Ausland neuerdings die alte Furcht vor dem angeblichen Expansionismus Chinas um. Aber dieser Furcht nachzugeben hieße, die Geopolitik etwas zu weit zu treiben. Was schließlich zählt, ist nicht, ob China auf der Souveränität über das eine oder andere Riff der Spratlys besteht. Entscheidend ist, ob das chinesische politische System sich wandeln kann, ohne einen Bruch sowjetischen Stils durchzumachen. Es ist in Chinas Interesse, wenn diejenigen, die einen friedlichen Übergang in Peking anstreben, Sympathie und Hilfe von außerhalb erhalten. „The Guardian“, 23. Mai 1995
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