: Weißrusslands Präsident sorgt vor
Vier Tage vor den Wahlen zum höchsten Staatsamt werden 35 Oppositionelle festgenommen. Drei internationalen Wahlbeobachtern wird die Einreise verweigert. Dabei kann sich Amtsinhaber Lukaschenko eines weiteren Sieges sicher sein
VON BARBARA OERTEL
In Weißrussland regiert derzeit nicht nur Staatspräsident Alexander Lukaschenko, sondern auch die Angst – vor allem bei der Opposition. Wenige Tage vor den Präsidentenwahlen am kommenden Sonntag ist der autoritären Staatsmacht kein Mittel zu plump, die Widersacher Lukaschenkos sowie deren Helfer zu behindern oder gleich ganz aus dem Verkehr zu ziehen.
So wurden am Mittwoch gleich 35 Regierungsgegner festgenommen, darunter auch der Oppositionelle Anatoli Lebedko. Er unterstützt den Kandidaten der vereinten Opposition, Alexander Milinkewitsch. Von den Festgenommenen wurden 11 umgehend zu Haftstrafen zwischen 7 und 15 Tagen verurteilt. Lebedko, der zunächst nicht ins Gefängnis kam, sagte gegenüber AP, die Regierung wolle alle Oppositionellen vor der Wahl „neutralisieren“. Lebedko war kürzlich bereits zu einer Geldstrafe von umgerechnet 750 Dollar verurteilt worden. Begründung: Er sei bei einer nicht genehmigten Veranstaltung aufgetreten. Milinkewitsch zufolge hielt die Polizei in den vergangenen zwei Wochen schon mehr als 60 Oppositionelle bis zu 15 Tagen fest.
Doch das Regime baut auch an einer anderen Front vor. So gehören von den rund 74.000 Mitgliedern der 6.500 lokalen Wahlkommissionen nur zwei Vertreter nicht dem Lukaschenko-Lager an. Eine Begründung dafür lieferte die von der EU mit einem Einreiseverbot belegte Chefin der Zentralen Wahlkommission, Lydia Jermoschina. Oppositionelle seien für eine solche Aufgabe ungeeignet. „Die sind doch meistens arbeitslos“, sagte sie. „Wird solchen Leuten in der Gesellschaft Respekt entgegengebracht? Natürlich nicht.“
Als ungeeignet gelten auch internationale Wahlbeobachter. Ebenfalls am Mittwoch wurde drei von ihnen die Einreise verweigert, darunter die Europaabgeordnete der Grünen, Elisabeth Schrödter, die für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) den Urnengang beobachten wollte. Außenminister Sergei Martinow sagte, die Mission sei lächerlich, da nur Ausländer ausgewählt würden, denen die Verhältnisse in Weißrussland fremd seien und die zumeist nicht einmal die Sprache verstünden.
Dass auch diese Präsidentschaftswahl in dem 10-Millionen-Einwohner-Staat zu einer Farce gerät, liegt auf der Hand. Dennoch stellt sich die Frage, warum das Regime gerade jetzt noch mehr Amok läuft als sonst. Der Sowjetnostalgiker Lukaschenko, der seit 1994 regiert und sich im Oktober 2004 mittels eines fragwürdigen Referendums eine Verfassungsänderung und damit die Möglichkeit einer dritten Kandidatur besorgte, hat derlei offenkundigen Betrug gar nicht nötig.
55 Prozent der Weißrussen, in der Hauptsache die Landbevölkerung, wollen Batka („Väterchen“) sowieso ihre Stimme geben. Die wirtschaftliche Lage ist stabil, wenn auch auf niedrigem Niveau. Nicht zuletzt die noch gültigen Vorzugspreise für russische Energielieferungen haben die größtenteils staatliche Wirtschaft bisher vor dem Zusammenbruch bewahrt. Offiziell liegt die Arbeitslosigkeit bei 1,5 Prozent. Das monatliche Durchschnittseinkommen stieg von 2004 bis 2005 um 55 auf 205 Dollar. Die Renten erhöhten sich im gleichen Zeitraum um 35 auf 98 Dollar.
Laut einer Umfrage zweier slowakischer Nichtregierungsorganisationen vom Januar bezeichneten 24 Prozent der Befragten ihre wirtschaftliche Situation als gut und 59 Prozent als zufriedenstellend. 81 Prozent erwarten von ihrem Präsidenten vor allem eine Anhebung des Lebensstandards. 51 Prozent sehen in der Entwicklung der Demokratie die vornehmste Aufgabe.
Die jedoch wird mit dem Exkolchosenchef Lukaschenko nicht zu haben sein. Ihm geht es um Machterhalt – mit allen Mitteln. Oppositionspolitiker Lebedko rechnet damit, dass für Lukaschenko ein Wahlergebnis zwischen 70 und 75 Prozent verkündet wird. „Lukaschenko muss eben zeigen, dass er ein Volkspräsident ist“, sagt Lebedko.
Oppositionskandidat Milinkewitsch, der derzeit bei 17 Prozent liegt, hat seine Anhänger dazu aufgerufen, am Abend des 19. März auf die Straße zu gehen, um für ehrliche Wahlen zu demonstrieren. Doch um eine Revolution nach georgischem oder ukrainischem Vorbild gleich im Keim zu ersticken, haben die Behörden vorgesorgt. So ließ das Außenministerium wissen, dass Ausländer, die sich an destabilisierenden Aktionen beteiligen wollen, ausgewiesen oder gar nicht erst ins Land gelassen würden. Und der Geheimdienst KGB drohte, Demonstranten gegen die Staatsmacht würden als Terrorristen verfolgt.