■ Weinprobe: Das Midi im qualitativen Aufwind
Anfang der sechziger Jahre, nach dem Ende des Algerienkriegs, siedelten sich viele Ein- und Rückwanderer in Frankreichs heißem Süden an. Aber wovon dort leben? Die Gegend war arm, im Bürokratenjargon: strukturschwach. Also pumpte die Regierung Geld ins Midi. Weinerzeugern bot der Staat Abnahme- und Preisgarantien. Folge dieser Politik: Produktion von vin ordinaire in unglaublichen Massen. Für Qualitätsbestrebungen hingegen gab es bei den Erzeugern keinen Anlaß.
Jahre später lenkten Brüsseler Eurokraten die Subventionen jedoch in ärmere Regionen wie Portugal und Griechenland. Die Winzer in Languedoc und Roussillon mußten sich entscheiden, ob sie sich fortan durch Qualitätserzeugnisse von der Masse abheben oder aber sinkende Einnahmen hinnehmen wollten. Glücklicherweise beschlossen nicht wenige, sich vom Chateau Karton- Niveau zu verabschieden.
Ein Ausdruck des Qualitätsaufschwungs der Midi-Weine ist, daß immer mehr Regionen den offiziellen Status der Appellation d'Origine Contrôlée (AOC) erhielten. Eine der jüngsten ist die AOC von Limoux, am Fuße der Pyrenäen im Hinterland des Roussillon gelegen. Hier besitzt Gino Bouro mit seiner Familie ein abseitiges Anwesen mit 42 Hektar Weinbergen, die Domaine de Mairac. Bouro wirtschaftet seit langem ökologisch und wird demnächst das Demeter-Zertifikat für biologisch- dynamischen Anbau erhalten.
Er produziert eine ganze Reihe von Weinen, Aushängeschild ist aber sein AOC Limoux aus Chardonnay-Trauben, deren Most im kleinen Holzfaß zu einem feinen, nuancierten Wein reift. Der Geruch läßt uns an einen Frühlingstag im Garten denken, der kräftige Geschmack enthält nur einen ganz dezenten Hauch von Eichenholz – keine Spur von der Effekthascherei, die so häufig mit dem Barrique betrieben wird.
Fahren wir vom Roussillon aus nordöstlich am Mittelmeer entlang, kommen wir ins Languedoc. Hier suchte Marlene Soria in den achtziger Jahren ein preiswertes Landhaus. Sie fand einen halbverfallenen Stall, kaufte ihn und etwas Land drum herum. Daß es sich dabei um Weinberge handelte, war Zufall.
Ein glücklicher, wie sich zeigen sollte. Mit der Zeit wuchs Madame Sorias Interesse am Wein. Nach und nach eignete sie sich Winzerkenntnisse an und brachte ihre Weinberge auf Vordermann (oder sollte ich Vorderfrau sagen?).
1989 brachte Marlene Soira erstmals die Erzeugnisse ihrer Domaine Peyre Rose in den Verkauf, und ihr Aufstieg war fortan nicht mehr zu stoppen. Ihr Rotwein Clos Syrah Léone, zu hundert Prozent aus ökologisch angebauten Syrah-Trauben, erhielt bereits zum dritten Mal die Höchstbewertung des Weinführers Guide Hachette, zusätzlich das Prädikat „Lieblingswein“.
Der 1992er präsentiert sich mit schwarzroter Brombeerfarbe, Duft nach Wildkräutern und einer geradezu wilden Geschmacksfülle. „Ein Wein, der uns bewegt“, schreibt der Guide Hachette. Ein Wein für einen hohen Feier-Abend. Eberhard Schäfer
Der AOC Limoux von der Domaine de Mairac kostet etwa
14 Mark;
Bezugsquellen über France
Dynamie,
Telefon: (030) 29373404.
Der Clos Syrah Léone 1992 von der Domaine Peyre Rose ist für
34 Mark erhältlich bei VINUM, Danckelmannstraße 29,
Berlin-Charlottenburg,
Tel.: 3226619
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