■ Weg isser!: Tagebuch eines Autolosen
Endlich! Endlich eine Entscheidung! Der Wagen ist verkauft. Eine Tonne elf Jahre alten aktuell reparaturbedürftigen rollenden Rost mit dem Gütesiegel 18 Monate TÜV gegen 450 Mark eingetauscht. Weg isser! Ich bin ohne, erstmals seit 18 Jahren. Ab sofort nur noch Bahn, Bus, Fahrrad, Taxi im Notfall und im Ausnahmefall von FreundInnen einen anderen Wagen leihen.
Die Entscheidung war überfällig, wiewohl immer wieder rausgezögert. Ist ja so bequem, wenn ein Auto für alle Fälle auf einen wartet. Obwohl: Gebraucht hatten wir den Wagen immer seltener. Zuletzt waren es zu zweit kaum mehr als 500 Kilometer im Monat. „Wo hast du ihn geparkt?“ – „Wieso ich?“ – „Ja, wer hatte ihn denn zuletzt?“ – „Ich weiß nicht“ – „Scheiße, wo steht die Karre?“ – „Vielleicht noch in der Viktoriaallee“ – „Das war vorige Woche Montag“ – „Warst du nicht noch...“ – „Nein. Oder...?“ — „Okay, ich geh ihn suchen.“
Der alte, nicht schadstoffreduzierte Dieselmotor tat ein übriges. Nur die Gewohnheit konnte das Gewissen betäuben. Bei Winterstarts war der gesamte Bürgersteig viele Meilen lang eingenebelt. Ein Liter Öl verschwand pro tausend Kilometer im Irgendwo.
Über Jahre war es eine meisterliche Verdrängungsleistung: Grünwählen, Ökoengagement, Autowahnkritik, konsequent sein in allen Bereichen des eigenen Lebens... Und ständig selbst herumstinken. Jetzt ist Schluß damit. Autofahrer sind ab sofort eine fremde Spezies. Ein tolles, erhebendes Gefühl: Ich gehöre ab sofort nicht mehr dazu. Ich desertiere aus dem Autobahnkrieg. Bernd Müllender
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