■ Weg isser!: Pferdestarke Fahrräder
Aachen (taz) – Die Versicherung hat geschrieben. Meine Autoabmeldung sei eingegangen, ich möge bitte mitteilen, ob das neue Ersatzfahrzeug auch bei ihnen versichert werde, dann könne man die Prämien doch einfacher verrechnen. Typisch: Daß jemand ganz aussteigt, ist gar nicht vorgesehen. Habe angefragt, wie die PS-Tarife für Fußgänger, Fahrräder, Busse und Bundesbahn sind. Statt einer Antwort kam gleich ein Scheck.
Zusammen mit der Kfz-Steuer-Rückzahlung sind's für ein halbes Jahr gut 600 Mark. Das soll der Grundstock für ein neues Fahrrad sein, bei dem es an nichts fehlen soll. Außer an Illusionen: „Falsches Wetter fürs Radfahren gibt es nicht – nur falsche Kleidung“ – das hat zwar ein Körnchen Wahrheit, die ganze Wahrheit ist es aber nicht. Neulich zum Beispiel, als es ununterbrochen nur regnete, hab' ich zweimal fast 20 Mark für ein Taxi bezahlt, nur für einen einzigen Abend Doppelkopf bei Freunden.
Was soll's? Wenn man's recht überlegt, klingt das doch nur viel, weil wir alle gewohnt sind, nur mit den (niedrigen) Spritkosten beim Fahren des eigenen Wagens zu vergleichen. Der alte Witz: „Autofahren ist nicht teurer geworden, ich tanke sowieso immer nur für 10 Mark“, sagt immer noch fast alles über das Denken der AutomobilistInnen aus.
Daß Radfahren in den Städten der Autorepublik Deutschland zudem ein höchst lebensgefährliches Unterfangen ist, weiß jeder, der hier auch nur einmal auf dem Sattel saß. Am schlimmsten sind die Autos der abgehobenen Mittelklasse mit den schneidigen Fahrern der tiefergelegten Unterklasse (PS- Protzpröll). Am lustigsten aber sind Leute wie du und ich; Leute, die sonst auch radfahren, also auch die andere Seite kennen. Wenn die am Steuer sitzen und dich als Radfahrer mal schneiden, behindern oder dir die Vorfahrt nehmen, entschuldigen sie sich übertrieben, sich selbst geißelnd (Ja, ich weiß, ist ja gut, tut mir leid...“), mit entweder niedergeschlagenen Augen oder betrübtem Blick voll von inneren Schuldvorwürfen und nagenden Gewissensqualen, daß einen fast das Mitleid überkommt. Bernd Müllender
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