Weblogs und Reklame: Schleichwerbung ganz normal
Die Grenze zwischen Inhalt und Reklame verwischt. Viele Blogger stört das nicht, denn je mehr Werbelinks ein Blog führt, desto besser das Ranking in den Suchmaschinen.
Es hätte ein Skandal werden können. Auf zahlreichen deutschen Blogs wurden Links von Seiten deutscher Konzerne gesetzt, gegen Geld, als Schleichwerbung, ungekennzeichnet. Sinn solcher Betrügereien ist es, das Google-Ranking zu verbessern: Je mehr Links auf eine Seite führen, desto höher wird sie bei Suchanfragen gelistet.
Eingefädelt hatte das die Firma onlinekosten.de, die zuvor für 46.000 Euro den bekannten Blog Basic Thinking gekauft hatten, und mit dessen Renommee kleinere Blogger für ihr Geschäftsmodell anwarben.
Es hätte ein Skandal werden sollen, dachte Sascha Pallenberg, dem die Unterlagen zugespielt worden waren. Noch bevor er sie veröffentlichte, twitterte er Ende Januar 2011, dass ein "ultimativer Tsunami" durch die deutsche Blogosphäre fegen würde. Eine Ankündigung, die große Erwartungen schürte, auch die taz berichtete. Es waren zu große Erwartungen, die Sensationsheischerei sei "ein Fehler gewesen", sagt Pallenberg heute.
Die kritischen Blogs jedenfalls wollten nicht an die Empörung ankoppeln. Andere schlugen sich gar auf die Seite von onlinekosten.de, darunter viele Suchmaschinenoptimierer und Techblogger - Leute also, die von solchen Praktiken leben. Entsprechend heftig waren ihre Ausfälle: Pallenberg spricht heute von einem "vierwöchigem Shitstorm", der ihn da überrollt habe: Mehrfach sei er mitten in der Nacht angerufen und übel beschimpft oder bedroht worden.
Verfall journalistischer Werte
Unter diese Kritiker mischte sich eine Woche nach Pallenbergs Ankündigung auch Frank Patalong, damals Ressortchef bei Spiegel Online. Er verteidigte die Linkverkäufe als grenzwertig, aber nicht grenzüberschreitend. So was sei Alltag in "Blogginghausen" (Patalong), wo man zwar die eigene Integrität hochhalte, aber längst nur noch eine "Branche" sei.
Wer für diesen Verfall der Grenze zwischen Werbung und redaktionellen Inhalten verantwortlich sei, ließ Patalong offen - wohl auch, um verschweigen zu können, dass bezahlte Backlinks bei den meisten Zeitungsseiten gängige Praxis sind, bei Spiegel Online sowieso.
Wer weiß, wie die Sache ausgegangen wäre, wenn Sascha Pallenberg klar benannt hätte, welche Blogs Schleichwerbung geschaltet hatten: Marius Kiesgen kommentierte auf maingold.com, man müsse schon Ross und Reiter nennen, nicht nur die Rösser von onlinekosten.de. Dann hätte man auf die schwarzen Schafe in den eigenen Reihen reagieren können. So aber blieben vom Tsunami nur "kleine Tümpelwasserbewegungen".
Und wie geht es nun weiter? Die einen hoffen, dass die Affäre zu einer gewissen Sensibilisierung geführt habe und Blogger sich nun weniger schnell kaufen ließen, aus Furcht, ihre Leser könnten davon Wind bekommen. Die anderen fragen sich, ob onlinekosten.de nicht sogar "eine Reihe an Initiativbewerbungen von Bloggern" erhalten werde.
In den USA haben ähnliche Skandale zu einer Richtlinie der Federal Trade Commission geführt, die derartige Linkverkäufe verbieten. Von solchen Maßnahmen ist man in Deutschland weit entfernt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen