■ Die Grünen proben die Opposition: Watschen für den Langen
Was ist das: Es legt Windeier, dreht emsig Pirouetten, löst sich auf wie Seife im Badewasser und hat eine konfliktscheue Zweierkiste mit Ulrich Nölle. Das ist Bürgermeister Henning Scherf, sagten gestern die Grünen bei ihrer Rückschau auf 100 Tage Koalition. „Scherf legt jede Woche ein Windei, aber ausbrüten dürfen's die anderen“, ätzte Fraktionssprecher Dieter Mützelburg. Windeier seien zum Beispiel die einstigen Versprechen, mehr Schulden zu tilgen, die ganze BEB zu verkaufen und die Müllgebühren nicht zu erhöhen – Rückzieher auf der ganzen Linie. „Es rächt sich, daß die Koalition am Anfang keine Bestandsaufnahme der Finanzen gemacht hat, sondern immer nur versprochen hat: Es wird alles besser.“
„Ich fürchte, für die Bremer Bevölkerung wird der Klimaschock noch kommen“, spielte Mützelburg an auf das Scherf/Nölle Wort vom „prima Klima“ zwischen ihnen. Fraktionssprecherin Helga Trüpel konnte da gleich weitermachen: Schon mit den Eckwerten für den neuen Haushalt liege die Koalition einen Monat im Hintertreffen, wahrscheinlich werde man erst im nächsten Sommer konkrete Spardaten vorliegen haben.
Versager nicht nur beim Rechnen, sondern auch beim Entscheiden, so charakterisieren die Grünen die angeblichen Macher Scherf und Nölle. Noch immer halte die Koalition an der ganzen langen Liste von Großinvestitionen fest, wie Space Park, Ocean Park, Straßenbahnen, Hemelinger Tunnel, Ausbau der wissenschaftlichen Infrastruktur, Innenstadt-Attraktivierung ... Dabei wisse jeder, daß der ISP-Topf dafür nicht reiche. Die Koalition müsse endlich Prioritäten setzen. Prioritäten der Grünen: Straßenbahnbau, wissenschaftliche Infrastruktur und Ocean Park (wenn sich für den Investoren finden, die nicht nur abzocken).
Geldausgeben ist das eine, Sparen das andere. Auch da haben die Grünen eigene Ideen: Allein 3 Mio. ließen sich sparen, wenn AsylbewerberInnen statt Gemeinschaftsverpflegung (19.20 pro Tag) Geld für's Selberkochen bekämen (7.50) – auch das verschärfte Asylbewerberleistungsgesetz lasse diese Möglichkeit. Alle wären zufrieden, ein echtes „win-win-Modell“, so Trüpel. „win-win“ wäre auch, wenn die rund 1.000 Junkies, die derzeit in teuren Wohnprojekten der freien Wohlfahrt untergebracht seien, in Sozialwohnungen wohnen dürften. Und wenn man dann noch 80 Prozent der Senatskommission für das Personalwesen (SKP) auflöste, all die Abteilungen, die doppelte Arbeit machten und nur Akten hin und herschöben ... cis/Foto: T.V.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen