Wasserbetriebe: Abgeordnete sollen Wasser einklagen
Juristen skizzieren, wie die Teilprivatisierung des Unternehmens rückgängig zu machen ist. Senat will Rückkauf.
Abgeordnete könnten das Land Berlin zwingen, gegen die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe vorzugehen. Das ist das Ergebnis einer Prüfung der Privatisierungsverträge von Juristen aus dem Umfeld des Berliner Wassertischs. "Eine kostengünstige Rekommunalisierung ist nur zu machen, wenn wir gegen diese Verträge vorgehen und sie aus der Welt schaffen können", so die Juristin Sabine Finkenthei.
Der schwarz-rote Senat hatte 1999 knapp die Hälfte der Wasserbetriebe an die Unternehmen RWE und Veolia verkauft. Die entsprechenden Verträge hielten die Parteien jahrelang geheim, erst im Zuge eines Volksbegehrens kamen die Dokumente 2010 ans Licht. Auslöser für das Volksbegehren waren vor allem die vergleichsweise hohen Wasserpreise. Der anschließende Volksentscheid war der erste erfolgreiche in der Stadt.
Aktuell verhandelt der Senat mit RWE über den Rückkauf der Anteile. Veolia hat stets betont, an einem Verkauf nicht interessiert zu sein. Für die Aktivisten, die sich für eine Rekommunalisierung einsetzen, ist ein Rückkauf keine Option: Sie fürchten zu hohe Kosten für das Land. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) hatte im Frühjahr die Summe von 800 Millionen genannt, die RWE verlange. Der Verkauf brachte dem Land einst gut 3 Milliarden DM.
Finkenthei sieht derzeit zwei mögliche juristische Wege: Einerseits könne der Senat den Vertrag anfechten, weil er das Budgetrecht des Abgeordnetenhauses verletzt habe, das diesem die Hoheit über Haushaltsentscheidungen gibt. Der Vertrag über die Teilprivatisierung greife mit einer Gewinnausfallgarantie in das Budgetrecht ein: "Das heißt, dass die Vertragsklausel mit der Gewinnausfallgarantie nichtig ist", so Finkenthei. Weil die Privaten den Vertrag vermutlich ohne die Klausel nicht abgeschlossen hätten, könne auch das gesamte Vertragswerk nichtig sein.
Der Senat hat immer wieder klargestellt, dass er mit den Privaten verhandeln will. Bessere Chancen sieht der frühere Sprecher des Volksbegehrens, Thomas Rudek, daher in einem "Organstreitverfahren", mit dem Abgeordnete ein Verfahren gegen den Vertrag erzwingen sollen. Unklar ist, ob einzelne Abgeordnete oder nur Fraktionen so ein Verfahren starten können.
"Ich finde den Vorschlag interessant", sagt die Grünen-Abgeordnete Heidi Kosche, die das Volksbegehren unterstützt hatte. Man müsse in der kommenden Legislaturperiode debattieren, ob dieses Vorgehen sinnvoll sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag