: Wasser statt Wein
■ Die Spardebatte zeigt: Konzeptlosigkeit überall
Es ist ein Trauerspiel. Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung befinden sich auf einem Nachkriegs-Rekordstand, Gewerkschaften und Opposition zufolge stehen der Marsch in eine andere Republik und das Ende des sozialen Konsenses bevor.
Und was passiert in der ersten Lesung des Bundestages zum Thema Sparpaket? Die politische Elite unseres Landes beschränkt sich darauf, in immer neuen Variationen aufeinander einzuprügeln. Plausible Antworten: Fehlanzeige.
Rudolf Scharping und Rudolf Dressler haben gestern kaum mehr getan, als immer und immer wieder das gleiche zu wiederholen: Wir lehnen das Sparpaket ab, weil es einseitig die sozial Schwachen belastet und kontraproduktiv für eine Arbeitsplatzpolitik ist. Das festzustellen ist notwendig, aber angesichts der unzweifelhaft schwierigen Finanzlage viel zuwenig. Die Opposition müßte Alternativen aufzeigen, aber die fehlen.
Die Regierung wiederum beschränkt sich darauf, die SPD als Fortschrittsbremser zu beschimpfen und von Teilen der Bevölkerung Blut, Schweiß und Tränen zu fordern, während andere mit Champagner auf Begünstigungen anstoßen können. Daß auch noch diejenigen, die Wasser predigen, durch eine geplante Anhebung ihrer Diäten Wein trinken wollen, wirkt schamlos. Offenbar hat man im Parlament jedes Sensorium dafür verloren, wie dies von der Bevölkerung wahrgenommen wird.
Das unzweifelhaft einseitige Sparpaket hat dafür gesorgt, Gewerkschaften, SPD und Grüne in ihrem Widerstand zusammenzuschweißen und Streiks heraufzubeschwören. Nötig wäre dies nicht gewesen. Denn selten war es so leicht wie in diesem Jahr, auch mit Kürzungen im sozialen Bereich auf Verständnis zu treffen.
Die Koalition beharrt darauf, daß ihre Maßnahmen die Beschäftigung voranbringt. Die Begründung dafür bleibt sie aber schuldig. Sie begnügt sich damit, Interessenvertreter der Arbeitgeberseite zu zitieren, die von angeblichen Beschäftigungszuwächsen schwadronieren, ohne dies nachvollziehbar zu machen. Das erinnert an einen alten Otto-Witz. Ein neues wissenschaftliches Gutachten besagt: Rauchen ist gesund. Gezeichnet Dr. Marlboro. Markus Franz
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