Washingtons gescheiterte Pakistan-Politik: Kein Alternativplan zu "Busharraf"
Die Ermordung Bhuttos hat die Pakistan-Pläne der USA zunichte gemacht. Nur eine unabhängige Untersuchung ihres Todes könnte Präsident Musharraf Glaubwürdigkeit verleihen.
BERLIN taz Es hatte ein genialer Schachzug werden sollen: Die US-Regierung wollte dem angeschlagenen pakistanischen Machthaber Pervez Musharraf eine durch Wahlen legitimierte Ministerpräsidentin Benazir Bhutto an die Seite stellen. So sollte dessen wachsende Unbeliebtheit mit ihrer Popularität und einer demokratischen Fassade ausgeglichen werden und der Kampf gegen den Terrorismus in dem Frontstaat neuen Schwung bekommen. Doch jetzt hat die Ermordung der Politikerin nicht nur diesen US-Plan durchkreuzt, sondern die Glaubwürdigkeit von Washintongs wichtigem Verbündeten weiter beschädigt und ihn noch unbeliebter gemacht. Zudem droht jetzt das Risiko, dass Islamisten das von Bhutto und dem geschwächten Musharraf hinterlassene Vakuum ausfüllen könnten.
Unabhängig davon, ob der auch "Busharraf" genannte pakistanische Präsident wirklich etwas mit dem Mord an Bhutto zu tun hat oder nicht, ist es eine Tatsache, dass viele Menschen in Pakistan sein Regime und die ihn massiv unterstützenden USA mit für Bhuttos Tod verantwortlich machen. Zumindest muss sich Musharraf immer wieder vorwerfen lassen, die von Bhutto geforderten Maßnahmen zu ihrem Schutz verweigert zu haben.
Das Musharraf nicht in der Lage war, Bhutto zu schützen, zeige, dass er die Sicherheit nicht unter Kontrolle habe, meint Muqtedar Khan, Dozent an der US-Universität Delaware und Mitarbeiter der Brookings Institution. "Der größte Verlierer sind die USA, weil sie mit großem diplomatischen Aufwand versucht haben in Pakistan eine Demokratie aufzubauen. Dabei verprellten sie Musharraf, den sie nicht wie von ihm erwartet während des von ihm verhängten Ausnahmezustands unterstützten." Die USA schwächten so Musharraf, und weil Bhutto als Alternative jetzt ausfalle, bliebe nur der schwache Musharraf. Barnett Rubin, Professor von der New York Universität und Experte für Pakistan und Afghanistan, sieht Musharraf bereits am Ende. "Die US-Regierung hat auf Bhuttos Wahlteilnahme gesetzt, um Musharrafs fortgesetzte Präsidentschaft zu legitimieren."
Die Regierung von US-Präsident George W. Bush steht jetzt nicht nur vor den Scherben ihrer Politik in Pakistan, sondern hat angesichts mangelnder Kontakte zu anderen Persönlichkeiten in der pakistanischen Politik und Zivilgesellschaft kaum tragfähige Alternativen. Der außenpolitische US-Blogger Juan Cole vergleicht Washingtons Unterstützung für Musharraf schon mit dem fatalen Festhalten am iranischen Schah in den 70er Jahren.
Ein Versuch, Musharraf jetzt noch Glaubwürdigkeit zu verleihen, wäre eine unabhängige internationale Untersuchung von Bhuttos Tod, wie sie die US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton bereits fordert. Doch Pakistans Regierung verweigert eine solche Untersuchung wie sie diese bereits nach dem ersten Anschlag auf Bhutto im Oktober tat.
Das Ergebnis von Washingtons Pakistan-Politik ist umso fataler, als Musharraf in seinem Machterhaltungswillen vor allem die liberale Mittelschicht entmündigte und die militanten Islamisten unter seiner Politik einen nie dagewesenen Einfluss gewinnen konnten. Washingtons jetzige Hilflosigkeit drücht sich darin aus, dass die US-Botschaft in Islamabad laut New York Times noch am Todestag Bhuttos Kontakte mit der Muslim Liga von Nawaz Sharif aufnahm. Den früheren Premier Sharif hatte die US-Regierung gemieden und sich sogar gegen seine Rückkehr nach Pakistan ausgesprochen. Denn in der Vergangenheit hatte er mit Islamisten paktiert. Zudem steht er in persönlicher Feindschaft zu Musharraf, der ihn 1999 aus dem Amt geputscht hatte. Die US-Regierung wird in ihrem ursrpünglichen Plan Bhutto also nicht einfach gegen den jetzt ebenfalls anschlagsgefährdeten Sharif ersetzen können. Abgesehen davon ist bis heute unklar, ob Musharraf überhaupt je ernsthaft zu einer Teilung der Macht mit einer demokratisch legitimierten Person bereit war.
Dass Washington jetzt mit leeren Händen dasteht, versuchte State Departement-Sprecher Tom Casey bereits am Freitag als Tugend zu verkünden: "Die US-Politik besteht nicht darin, Kandidaten oder Führer für Pakistan oder irgendein anderes Land auszuwählen." Das Ziel der Politik gegenüber Pakistan sei, die Entwicklung der Demokratie und "eine Regierung zu unterstützen, die eine möglichst breite Untertützung der Bevölkerung habe." Demnach müsste die US-Regierung Musharraf, der ihr als Garant für die Sicherheit der pakistanischen Atomwaffen gilt, in den Augen der meisten Pakistaner eigentlich fallen lassen. Angesichts der unklaren Alternativen ist die US-Regierung dazu aber nicht bereit. Eine Verschiebung der Wahlen wäre deshalb auch für Washington ein wichtiger Zeitgewinn.
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