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Was wollen wir teilen?Selbst das Gartentrampolin

Wir müssen nicht kaufen, was wir uns auch leihen können. Aber wo liegen die Grenzen der Sharing Economy? Wir haben mit Nutzern gesprochen.

Kindersitz, Anhänger, Spielzeug: Wozu kaufen? Bild: dpa

Dirk Feldmann ist Vater. Er hat eine Tochter, fünf Jahre alt. Für den Sommer hat er ihr ein Trampolin geliehen. Richtig, nicht gekauft. Geliehen. „Du brauchst keine Bohrmaschine, du brauchst ein Loch in der Wand“, sagt der Jungunternehmer Philipp Gloeckler. „Du brauchst kein Buch, sondern die Geschichte, die in dem Buch steht.“ Gloeckler hat eine Webseite gegründet, whyownit.com, auf der Privatleute Dinge leihen und verleihen können. Ihre Fahrradpumpe, ihr Zelt, das Partykleid.

Was müssen wir noch besitzen? „Everything that can be shared will be shared“, so drückt es Kevin Kelly aus, Herausgeber des Wired-Magazins. Sie alle leben das Konzept der Sharing Economy. Also teilen statt kaufen.

Aber wie genau funktioniert das teilen? Und wollen wir das wirklich?

„Kinder wachsen so schnell“, sagt der Vater Dirk Feldmann, „da macht es Sinn, nicht immer alles neu zu kaufen“. Deshalb hat er im letzten Jahr eine Plattform gegründet, auf der sich junge Familien Kindersitze, einen Fahrradanhänger und Spielzeug leihen können.

Aber wollen wir wirklich unser Baby in einer Wanne baden, in der zuvor schon andere Babys geplanscht haben? Nein, sagt Feldmann. „Je intimer Dinge sind, desto weniger gern werden sie geliehen“, sagt er. Und deshalb findet man auf der Plattform keine Wannen, keine Wäsche und kein Wickelbrett. Und keinen Teddybär.

Wo genau wird das Teilen dann interessant?

Das Trampolin: nur ein Ferienspaß

Zum Beispiel beim Kinderreisebett. „Viele Hotels haben keins“, sagt Feldmann. „Oder die Freundin, die die Party organisiert.“ Doch dafür zahlt man gleich mal 200 Euro. Da lohnt sich das Leihen wirklich, sagt Feldmann, oder eben beim Trampolin.

Und als er es wieder zurückgab, ging dann das Gequengel los? „Wir haben von vornherein klargestellt, dass das Trampolin ein Ferienspaß ist“, sagt er. „Beim nächsten Mal gibt’s was neues“. Kinder verstehen das, meint er, „sie haben eine Zeit lang Lust auf ein bestimmtes Spielzeug, danach landet es eh wieder in der Ecke.“

Die Titelgeschichte „Die neuen Habenichtse“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 1./2. Juni 2013. Darin außerdem: Die Affenforscherin Jane Goodall über die Ähnlichkeit von Menschen und Schimpansen. Und: Wie ein Islamist mit einem Telefonstreich den größten Terroralarm seit der RAF auslöste. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Die Bereitschaft, Dinge mit anderen zu teilen, steigt, das bestätigt eine Studie der Bitkom. Auch da, wo es wehtut.

Thomas Doennebrink vermietet oft seine Wohnung über die Plattform airbnb oder couchsurfing, gelegentlich auch sein Auto oder Fahrrad. Teilweise macht er das, um die Fixkosten zu reduzieren. Aber auch aus Freude an der Ressourcenschonung, um seine Freunde öfter zu sehen oder andere Leute kennenzulernen. Auch Francesca Pick teilt ihre Couch zwecks Geselligkeit, und weil sie dadurch die Möglichkeit bekommt, ihre Gäste in anderen Ländern zu besuchen.

Feldmanns Plattform ähnelt da eher dem Kaufen im Laden. Alle Spielsachen sind garantiert sauber. Und funktionieren einwandfrei. „Ich würde keine gebrauchten Spielsachen von Fremden leihen“, sagt er. Die Zeit, die dabei verloren geht, der Aufwand, bis man ein Trampolin findet. Und die Kernfrage: Kann ich dem Anbieter überhaupt vertrauen?

In der Titelgeschichte „Die neuen Habenichtse“ der taz.am wochenende vom 1./2. Juni 2013 stellen wir drei Unternehmer vor, die mit dem Teilen das Zeitalter des Haben-Wollens überwinden möchten.

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9 Kommentare

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  • M
    Michael

    Der Artikel "Die neuen Habenichtse", der online offensichtlich zu zwei Artikeln geführt hat, hat mich etwas ratlos zurückgelassen. Es soll zwar um "Teilen" gehen, das Teilen wird aber mit Vermietung (Car-Sharing ist ja auch nichts weiter als eine kleinteilige Form der Autovermietung), Leihen, Tauschen sowie Gebrauchthandel zusammengewürfelt. Gemeinsam ist diesen Vorgängen nur, daß niemand die Dinge über den gesamten Gebrauchszeitraum alleine nutzt, ansonsten scheint mir das, wie auch im Artikel mehrfach erwähnt, einfach eine neue Geschäftsidee zu sein.

    Haben Sie schon mal ein Werkzeug gemietet? Bei den Preisen kann man sich das Ding etwa nach einer Woche auch kaufen.

    Verleihen? So lange die Menschen derartig unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie pfleglich ein Ding behandelt werden muß, kommt das für mich nicht mehr in Frage. Ich habe da ähnliche Erfahrungen gemacht wie der im Artikel(Print) genannte Bauer.

    Insgesamt halte ich das für eine Idee für Leute, die Dingen ohnehin keinerlei Wert zumessen. Ist O.K., geht aber nur, weil die Sachen für kleines Geld sofort wieder beschaffbar sind.

    Und schon hat sich der Kreis wieder geschlossen - shared economy funktioniert nur mit einer kapitalistischen Produktions- und Warenwirtschaft als Backup.

  • HS
    Herr Smops

    Ein interessante Idee. Leider kann man sich whyownit.com nicht genauer anschauen, weil ein Login nur mit Apple-Iphone und/oder Verknüpfung mit Facebook-Account möglich ist. Das ist entweder ziemlich dilettantisch programmiert oder Absicht - und dann reichlich unseriös. Schade.

  • P
    Papa

    Keine Wannen? Kein Wickeltisch?

     

    Welche Sorgen treiben Eltern denn um? Bis auf einige Schuhe ist bei uns so ziemlich alles von der Verwandtschaft (gebraucht) geschenkt worden oder vom Flohmarkt. Ein Buch, das ich gelesen hab schenk ich einfach weiter. Man kann alles zum Trend machen. Sobald Urban Nahverkehring kommt wäre Straßenbahnfahren wieder hip.

     

    Darauf, dass eine gebrauchte Wanne nicht hygienisch sein könnte, wäre ich nie gekommen. Im Gegenteil: Die Plastikwanne aus den Siebzigern riecht einfach nur nach nichts, wogegen die frisch gekaufte nach Weichmachern und ählichem duftet.

  • KK
    Kein Kunde

    Da würde ich ja lieber über die Produkte und Interessensgruppen reden, die uns das Teilen streitig machen.

  • M
    MeinName

    Ich verstehe beim besten Willen nicht, wieso eine gründlich gereinigte Babywanne ein absolutes no-go im Leihbereich sein soll, ein Kinderbett aber völlig akzeptiert ist. Seltsame Kriterien, die da angelegt werden.

  • R
    Rudi_Ratlos

    In jungen Jahren, als es das Wort "Sharing Economy" in D noch nicht gab, wurde von mir ohne große Worte viel verliehen . Von der Schallplatte bis hin zum Auto. Für mich selbst dachte ich nie etwas von Bekannten auszuleien. Das habe ich über Jahre so gemacht. Irgendwann bemerkte ich doch, daß ich nur ausgenutzt wurde. Das Auto z.B. wurde mehrmals demoliert zurück gegeben, was erst später von mir bemerkt wurde. Das gilt für die Schallplatten sowieso. Fazit: Undank ist der Welten Lohn.

  • R
    Ramses

    Leihgrube.de gibt es schon länger und funktioniert auch ohne Facebook.

  • JK
    Jo Keppler

    Ich glaube, es geht auch darum, endlich mal Alternativen zum allgegenwärtigen Kaufreflex zu zeigen und den Leuten neue Zugangsformen zu besseren Produkten zu ermöglichen. Die "Plattform" aus dem Artikel heisst wohl www.lifethek.de Mal sehen, was draus wird ...

  • U
    ultraphlegmatic

    whyownit.com – Jede Menge Sponsorenlogos ("Business Punk", das Zentralorgan der Jungen Liberalen, oder was?) und Anmeldung nur über Facebook. Da bin ich schon mal ausgeschlossen. Vermittelt eher den Eindruck einer Klientel, die es nicht gelernt hat, Dinge wertzuschätzen. Meins? Deins? Egal, kommt bei den ersten Verschleißanzeichen eh in die Tonne. Führt zu: Ja, mehr Konsum. Bitte mal Reboundeffekt nachschlagen. Businessmenschen und Gemeinwohlökonomie? Glaub ich nicht dran.