Was von der Entspannungspolitik mit dem Ostblock übrig blieb : Vom richtigen Umgang mit Diktaturen
Wer heute die KSZE-Charta vom November 1990 liest, spürt noch den Geist jener Umbruchszeit, die Europa ein neues Zeitalter der Freiheit gebracht hat. Doch heute, 14 Jahre später, gibt es noch immer autoritäre Systeme und Diktaturen, die uns vor die Frage stellen, welcher Umgang mit ihnen der richtige ist.
Im Hinblick auf die DDR-Erfahrungen kann man feststellen, dass Blockaden oder schlichte Ausgrenzung eher zur Verhärtung beitragen. Die Entspannungspolitik der 60er-Jahre wurde von der großen Mehrheit in der DDR begrüßt, spürte sie doch schnell die Ergebnisse: mehr Kontakte, Begegnungen und Information. Auch der Ausbau gemeinsamer Wirtschaftsbeziehungen kann längerfristig zu einer gesellschaftlichen Öffnung führen, ebenso der Ausbau von Wissenschaftskontakten.
Die Hoffnungen des Westens auf einen „Wandel durch Annäherung“ im Umgang mit den ehemaligen Ostblock-Regimes hatten nur ein Defizit: Die Veränderung wurde nur als Veränderung „von oben“ gedacht. Nicht in dieses Konzept passten neue politische Akteure, die aus der Gesellschaft heraus entstanden. Oft genug wurden sie skeptisch als Faktoren der Instabilität betrachtet und allein gelassen. Ehemalige Dissidenten etwa der polnischen Solidarność können davon viel erzählen.
Aus diesen Fehlern der Vergangenheit gilt es heute zu lernen: Alles, was Kontakte, Begegnungen und den Fluss von Information in die Gesellschaft hinein ermöglicht, sollte gefördert werden. Doch darüber hinaus aber gilt es, demokratische Kräfte in der Gesellschaft sowie demokratische Opposition im Exil gezielt zu unterstützen. Denn sie sind die Eliten der Zukunft.
Nehmen wir Weißrussland als Beispiel: Hier hat sich Präsident Lukaschenko gerade in einem manipulierten Referendum die Chance auf lebenslange Herrschaft eröffnet. Trotzdem gibt es eine Reihe engagierter Oppositionsparteien und durchaus noch unabhängige NGOs: Sie zu stärken ist eine Aufgabe, die wir in Deutschland und Europa besser organisieren müssen.
Im vergangenen Sommer etwa wurde die letzte unabhängige Ausbildungseinrichtung in Minsk, die von der EU mitfinanzierte „Humanistische Universität“, geschlossen. Ein Teil der Studenten ist von deutschen Universitäten aufgenommen worden, viele hängen aber noch in der Luft.
Weil auch die Medien in Belarus fest in staatlicher Hand sind, sind besondere Anstrengungen nötig: neben der Fortbildung lokaler Journalisten etwa die Förderung alternativer Medien – notfalls solcher, die aus dem Ausland senden wie einst Radio Free Europe aus München. Nicht zuletzt sollten die Länder der Europäischen Union aber auch bereit sein, mit ihrer Visa- und Asylpolitik die demokratische Opposition solcher Länder zu unterstützen.
Denn um wirksam auf solche repressive Regimes einzuwirken, bedarf es einer gemeinsamen Strategie der demokratischen Staaten. Im Falle Kubas hat die EU auf eine Repressionswelle im März 2003 entschieden reagiert und sich zum verstärkten Kontakt mit Dissidenten bekannt. Bei Belarus und möglicherweise auch der Ukraine wird es in Zukunft sehr darauf ankommen, dass Europa noch mehr unternimmt, um die demokratischen Kräfte des Landes zu unterstützen. MARKUS MECKEL
MARKUS MECKEL (52) ist SPD-Bundestagsabgeordneter und stellvertretender außenpolitischer Sprecher. Er war Mitbegründer der Ost-SPD und dann Außenminister der DDR