■ Was tun mit der PKK in Deutschland?: Die Lösung liegt in der Türkei
Soll die „Kurdische Arbeiterpartei“ (PKK) in der Bundesrepublik verboten werden? Erst Außenminister Kinkel, dann Innenminister Kanther und zuletzt Bundeskanzler Kohl waren sich scheinbar darin einig: verbieten. Dabei ist klar, daß Kinkel auf Drängen der Regierung in Ankara diese Position vertritt – er könnte damit leichte Punkte im gespannten deutsch- türkischen Verhältnis machen. Komplizierter sieht es für den Innenminister aus. Angefangen von Zimmermann, über Schäuble, Seiters und jetzt Kanther hatten alle die Frage schon auf dem Tisch, und alle haben sich dagegen entschieden. Sie taten dies nicht aus Sympathie für die PKK oder tieferem Verständnis für den kurdischen Befreiungskampf, sondern aus rein praktischen Erwägungen. Eine PKK als PKK gibt es in Deutschland nicht, lediglich ein Geflecht diverser Vereine und Unterstützerorganisationen, denen juristisch das Label „PKK“ nur schwer aufzudrücken ist.
Wie schwer sich die deutsche Justiz damit tut, läßt sich in Düsseldorf in dem vom damaligen Generalbundesanwalt als „größter Terroristenprozeß“ apostrophierten Verfahren gegen Kurden begutachten, denen vorgeworfen wurde, sie hätten eine „terroristische Organisation innerhalb der Partei“ gebildet. Der pompöse Prozeß ist eine „Aktion Wasserschlag“. Ein Versuch, alle kurdischen Organisationen, die hier tatsächlich oder vermeintlich die PKK repräsentieren, zu verbieten, würde wohl ähnlich verlaufen und vor allem immer die Gefahr mit sich bringen, viele Menschen zu kriminalisieren, die mit gewalttätigen Aktionen nichts zu tun und nichts im Sinn haben.
Wenn also nicht mit Verbot und Kriminalisierung, wie dann auf die PKK reagieren? Bereits Mitte der achtziger Jahre hat es einen Konflikt gegeben, der sich am Umgang der PKK mit Dissidenten aus den eigenen Reihen entzündete. Damals machte der überwiegende Teil der bundesdeutschen Linken klar, daß sie Repressalien gegen „Abweichler“ für nicht akzeptabel halte. Man kann sich auch darüber streiten, ob es klug ist, in Europa staatliche türkische Einrichtungen anzugreifen und damit die Auseinandersetzung in den eigenen Rückzugsraum hineinzutragen. Auf keinen Fall akzeptabel ist dagegen, türkische Immigranten, weil sie Türken sind, anzugreifen und zu terrorisieren. Welches revolutionäre Verständnis steckt eigentlich dahinter, plötzlich mit deutschen Neonazis in einem Boot zu sitzen? Schlimmer kann man den kurdischen Befreiungskampf kaum diskreditieren.
Die Auseinandersetzung mit der PKK setzte allerdings voraus, das Anliegen der Kurden ernst zu nehmen. Seit Jahrzehnten kämpfen die Kurden in der Türkei um ihre Anerkennung, seit Jahrzehnten reagieren die verschiedenen Machthaber in Ankara darauf mit polizeilicher und militärischer Gewalt. Genauso lange haben deutsche Regierungen sich höchst indifferent verhalten, um den Nato-Partner im Südosten nicht zu düpieren. Die Bundesregierung und die EG müssen sich allmählich entscheiden, ob ihnen die Menschenrechte in der Türkei immer nur dann in den Sinn kommen, wenn über einen EG-Beitritt diskutiert wird, ober ob die Gemeinschaft endlich eine glaubwürdige Menschenrechtsposition gegenüber Ankara einnimmt. Dabei ist vor allem Bonn gefragt. Es gibt keinen besseren Schutz vor Anschlägen in der Bundesrepublik, als in Ankara auf einen politischen Dialog mit den Kurden zu drängen. Jürgen Gottschlich
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