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Archiv-Artikel

Was tun in Hamburg?

Von MATT

■ Sa, 25. 4., bis So, 3. 5., täglich 10–17 Uhr, Hauptkirche St. Petri

Dämon Genozid

Am 24. April 1915 begann, was die Türkei partout nicht Völkermord nennen will: Die jungtürkische Regierung ließ in Konstantinopel führende armenische Intellektuelle und Politiker verhaften, die meisten von ihnen wurden verschleppt und ermordet. Die Verhaftungen waren der Auftakt eines Verbrechens, dem nach Schätzungen zwischen 1915 und 1916 anderthalb Millionen Armenier und Hunderttausende Assyrer zum Opfer fielen – von den Armeniern „Aghet“ genannt, „Katastrophe“.

 Anlässlich des 100. Jahrestages jener Verhaftungen dokumentiert die Ausstellung „Die Türkei und ihre Dämonen“ mit Fotos von Andy Spyra und Texten von Christian Meier nun „eine Reise durch ein Land, in dem nur ein Gedanke stärker ist als die Überzeugung, dass es keinen Völkermord gegeben habe“, so heißt es in der Ankündigung – „die Angst, dass es ihn doch gab“.

■ Mi, 29. 4., bis Sa, 2. 5., jeweils 20 Uhr, Monsun Theater

Passt nicht

Er ist ein Altlinker, der in der Mitte seines Lebens noch mal zum Vorstellungsgespräch muss. Er übt seinen Auftritt, hat sich in Handbüchern Rat gesucht. Aber seine jahrelang eingeübte gesellschaftspolitische Abwehrhaltung, die macht ihm nun ernsthafte Probleme: bloß optimistisch wirken, fröhlich! Aber wie? Noch bevor die Haustür hinter ihm zufällt, muss er sich eingestehen: Das wird mit mir nichts. Äußere Coolness passt in Zeiten des Neoliberalismus einfach nicht zur inneren „Restwärme“.

 So heißt das Ein-Mann-Stück des Schriftstellers, Regisseurs und Tschechow-Übersetzers Eugen Ruge, der 2011 für sein Romandebüt „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ den Deutschen Buchpreis bekommen hat. Ab Mittwoch ist der gescheiterte Schwimmversuch im Meer der Selbstoptimierung im Monsun Theater zu sehen. Den Gescheiterten spielt Ulrich Herold, Regie führt Maren Wegner.

■ Premiere: Sa, 25. 4., 20 Uhr, Schauspielhaus

Kontroll-Verlust

Drei Physiker geben sich in Friedrich Dürrenmatts Satyrspiel „Die Physiker“ in einer psychiatrischen Klinik als Geisteskranke aus. Zwei von ihnen sind Agenten rivalisierender Geheimdienste, einer hat die sogenannte Weltformel entdeckt, die, einmal in die falschen Hände geraten und in entsprechende Technologien umgesetzt, zur Vernichtung der ganzen Menschheit führen kann. Um ihre Geheimnisse zu bewahren, schließen die drei einen Pakt und ermorden ihre Krankenschwester. Aber die Irrenhaus-Leiterin – die einzige tatsächlich Verrückte – hat die Aufzeichnungen bereits kopiert und will mit der Weltformel die Weltherrschaft erringen. Die Physiker aber fallen ihrem eigenen Verwirrspiel zum Opfer: Als Verrückte bleiben sie eingesperrt und können nichts mehr ausrichten.

 Sebastian Kreyer inszeniert Dürrenmatts Tragikomödie über Kontrollverlust und Technikfolgen jetzt am Schauspielhaus.

■ Sa, 25. 4., 17 Uhr, Mojo Club

Jodeldiplom

„Holleri du dödl di, diri diri dudl dö.“ Jeder kennt ihn: Loriots Sketch, in dem Frau Hoppenstedt im Institut für modernes Jodeln ihr Jodeldiplom macht, um „was Eigenes“ zu haben und – wenn die Kinder mal aus dem Haus sind – „auf eigenen Füßen stehen“ zu können. Ein Diplom bekommt man am heutigen Samstagabend im Mojo Club zwar nicht, zumindest die Grundlagen aber vermittelt ein Workshop zum Abschluss des „Alpenmusik“-Festivals der Elbphilharmonie. Lehrmeister sind der Appenzeller A-cappella- und Jodelchor Engel Chörli, das Blechbläser-Kabarett Mnozil Brass und das Duo Attwenger (Foto).

 Die sind etwas für den Jodel-Masterstudiengang: Im Attwenger-Kosmos sind Avantgarde-Gitarren à la Fred Frith ebenso zu Hause wie Hochgeschwindigkeits-Landler, Hip-Hop-Polka oder Breakcore-Gejandl: Möglich ist bei Markus Binder und Hans-Peter Falkner alles, was man zwischen Schlagzeug und Ziehharmonika so anstellen kann – so lange einer den anderen auffängt. Weil die Oberösterreicher ihr Denken ausschließlich in Dialekt rhythmisieren, klingt das für ungeübte Ohren wie eine Fremdsprache. Das ist durchaus gewollt: Sprache ist bei allem Scharfsinn und aller Ironie schließlich nur ein weiteres Terrain für Bedeutungsverschiebungen und Enteignungen aller lokalen und globalen Idylle und Traditionen. So geht Jodeldiplom!  MATT