Was tun für Jobs und Fairness? Eigene Firmen gründen!: Eine Art Karstadt der Nachhaltigkeit
Wir retten die WeltVonHannes Koch
Meine Kinder und ich fahren zur Gründermesse. Sie sind 16 und 18. Da denkt man als Vater, dass sich aus dem Wirbel der Gedanken mal der Hauch einer Berufsidee kristallisieren könnte. Die beiden scheinen interessiert, wobei auch andere Beschäftigungen an diesem Samstag nicht ferngelegen hätten.
Bei der Messe präsentieren junge Leute irgendwie „nachhaltige“ Geschäftsideen. So verschickt eine Firma nach Bestellung im Internet per Päckchen die kompletten Zutaten fürs warme Abendessen, abgewogen nach der Anzahl der Esser. Nur bestes Biofleisch werde versendet, sagt die Chefin, etwa von alten, aussterbenden Rinderrassen. „Das Geschäft ist schnell zu Ende, wenn die ausgestorben sind“, stelle ich fest. Die Chefin findet das mittelwitzig.
Schlachten als Überlebenshilfe. Die moderne Wirtschaft ist paradox. Eine andere Firma hat einen Reis-Drink erfunden. Geschäftsmodell: Alte, aussterbende Reissorten werden zu einer Art Sirup verarbeitet. Zu Hause Wasser dazu – fertig. „Schmeckt wie Wasser mit Haferflocken“, entscheidet mein Sohn hart, aber fair. Ein realistisches Urteil, denke ich. Die Marktchancen? Gering. Meine Tochter ist milder: Für alles Ökosozialkonsumkritische hat sie ein großes Herz.
Obwohl zuletzt weniger Firmen in Deutschland gegründet wurden – wegen der guten Wirtschaftslage finden die Leute leichter „normale“ Arbeitsplätze –, boomen Läden, die Nachhaltigkeit propagieren. Besonders in Berlin-Kreuzberg, wo ich wohne. Zuletzt habe ich einen Stuhl aus alten, aussterbenden Büchern entdeckt. Sitzfläche und Lehne bestehen aus „Dr. Schiwago“, „Faust“, „Die Weber“, „Richard III.“, „Der Arzt von Stalingrad“ und anderen Klassikern. Man sitzt auf den Buchrücken. Lange Schrauben zwingen die Werke in einen Holzrahmen. Zum Lesen herausnehmen kann man sie nicht.
An solchen Ideen herrscht Überfluss. Wo bekommt man was? Suchen und Recherchieren gehört zum Basis-Know-how des modernen Konsumenten. „Ein Kaufhaus für gute Produkte könnte man gründen“, überlegt meine Tochter, „dann ist alles an einem Ort“. „Gibt es im Internet schon“, wendet ihr Bruder ein. Utopia oder Fairmondo heißen diese Online-Marktplätze. Hätte so etwas eine Chance in der realen Welt? Immerhin eröffnet selbst Amazon jetzt richtige Buchläden – mit echtem Stöbern!
Mir gefällt die Idee: eine Art Karstadt für Nachhaltigkeit. Ich sehe schon meinen Namen in Neonlettern auf dem Dach des Konsumtempels. Als ich klein war, wollte ich Architekt werden und meinen Eltern ein Haus bauen. Das hat nicht geklappt, wie man an diesem Artikel sehen kann. Nun mache ich mir Sorgen über meine Rente. Vielleicht wären meine Kinder erfolgreichere Gründer als ich.
„Leider ist Karstadt pleitegegangen“, fällt mir dann ein. Was war da noch mal das Problem? Wahrscheinlich haben sie bei der Auswahl ihrer Produkte zu konventionell gedacht, hätten mehr Fleisch von aussterbenden Rinderrassen anbieten sollen. Bei Knappheit kann man die Preise erhöhen. Auf die Idee kommt es an.
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