■ Was steht in den Akten?: Geheimes Europa
Im letzten Frühjahr war Journalisten, die Zeitung des schwedischen Journalistenverbands, an den EU-Ministerrat mit der Bitte herangetreten, zwanzig Dokumente lesen zu können – Protokolle und Diskussionsunterlagen zum Thema Europol. Der Ministerrat gab aber nur zwei der begehrten Unterlagen heraus. Die übrigen seien geheim. Die Zeitung nahm dies nicht hin und klagte gegen diesen Beschluß vor dem Europäischen Gerichtshof.
In seiner Stellungnahme zur Klage von Journalisten erklärt der Ministerrat seine Ansicht von Öffentlichkeit. Er meint, Journalisten sei das Regelwerk der EU offenbar völlig unbekannt. Irgendein Recht, Einblick in EU-Dokumente verlangen zu können, gebe es nämlich nicht. Weder räume der Gründungsvertrag von Rom ein solches Recht ein, noch das Maastricht- Abkommen. Es gebe zwar seit 1993 einen sogenannten „Verhaltenskodex“. Dieser sei aber nicht mehr als eine allgemeine Regel im Rahmen der Informationstätigkeit der EU. Irgendein Recht sei daraus nicht herzuleiten. Der Geheimstempel gehört somit zum vielgenutzten EU-Inventar.
Und die Erklärungen über erweiterte demokratische Einsichtsrechte in den Beschlußprozeß der EU, die die Regierungschefs in Maastricht und bei anderen Gipfeln verabschiedeten – verpflichten diese nicht zu größerer Öffentlichkeit? Nein, so einfach sei die Schlußfolgerung nicht, meint der Ministerrat. Solche Erklärungen seien nur „politische Versprechungen“, juristisch nicht bindend für eines der EU-Organe. Es gebe schlicht und ergreifend kein Öffentlichkeitsprinzip innerhalb der EU.
Dieser Standpunkt ist nicht neu. In gleicher Weise reagierte der Ministerrat, als die britische Tageszeitung The Guardian ein Ratsprotokoll zum Thema Kinderarbeit lesen wollte. Hier erklärte der Rat, daß die Vertraulichkeit bei der Erarbeitung von Rechtsakten unabdingbar sei. Ohne die Geheimnistuerei kann die EU also nicht funktionieren. Erst der Europäische Gerichtshof gab dem Guardian recht.
Was sagt nun das Mitgliedsland Schweden dazu? Hält man die Versprechungen ein, die man vor der EU-Volksabstimmung gegeben hat? In Zusammenhang mit den Mitgliedsverhandlungen gab Schweden eine besondere Erklärung über unser in der Verfassung garantiertes und damit unverzichtbares Öffentlichkeitsprinzip ab. Schweden wollte nicht nur diese einzigartige Offenheit bewahren, sondern die Regeln über das Recht auf demokratische Einsichtnahme und offene Debatte in die EU exportieren.
Doch als der Ministerrat nein zum Wunsch des Journalisten sagte, stimmte Schweden nicht dagegen, sondern enthielt sich der Stimme. Begründung: Zeitlicher Druck hatte die schwedischen Vertreter daran gehindert, sich über die Sache kundig zu machen. Die Zeichen für schwedischen Export scheinen schlecht zu stehen. Jesús Alcalá
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen