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■ Was macht der Bauer an seinem freien Tag?Ein Sonntag in Niederbayern

Sonntag ist Ruhetag in Niederbayern. Alle Pflüge stehen still, weil das der Arm des Sämanns will. Der Kopf des Sämanns, Schweinewirtes und Schnapsbrenners aber will Ausflug. Er sucht Abwechslung von der tristen Sechstagewoche, dafür kommt ihm eine Fahrt mit seinem PKW gerade recht, das Automobil nämlich hat er sechs von sieben Tagen unterm schindelbedeckten Spitzgiebeldach des imposanten Hofes geparkt, verdeckt von einer silbergrauen Plane, die Regen, Graupel, Schnee und Sandstürme abhält.

Der Kuhkönig beginnt seinen Ausflug ca. 25 Kilometer südöstlich von Landshut, genauer: in einem Flecken zwischen Vilsbiburg und Eggenfelden, dessen Namen wir hier verschweigen wollen, wo's indes, soviel sei ausgeplaudert, die qua Eggen kultivierten Felder gibt. Ihm ist das wurscht und Rettich, er fährt nach Frauensattling, ersteht ein Pferd, reitet nach Dirnaich, kauft Reiseproviant und krabbelt hinan gen Sackstetten. Quatsch: Hat er natürlich alles im „Heizölporsche“ erledigt (Mazda Diesel).

Von Sackstetten Richtung Frauenhaselbach, fünf Kilometer Steigung, lichtes, blütengrünes Wäldergehügel, honiggelbe Gerste. Vereinzelt Hopfenanbau. Dann Piesenkofen und Blindenhaselbach. Letztere Ortschaft sieht selten Besuch. Der Bauer macht keine Pause. Rasch, fast ohne intermedierende Zwischenackerwiesenbereiche – oder wie sagt man da? – folgen die Dörfer Elsenbach, Edeneibach sowie Heißprechting inklusive Prüll. Nebst Huldsessen. Straßhäuseln. Und Holzkeller. Hier wird eine Rast eingelegt, denn es ist Sonntag, Tag des Herrn. Der Wirtshauszentralkamin bullert wie die Sau, Haxen gibt's und schweinemäßig reichlich Bier. Wie es schmeckt...

Nun sollen aber Ulrichschwimmbach und Mülleröd gepackt, wollen absolviert sein. Außerdem befindet sich der Bauer in seinem Mazda Diesel („Heizölferrari“) ja auf einer Rundreise, wie er der Bäuerin beim Abschied am Morgen verklickerte, noch bevor die Glocken ihr tönernes Klingeln in die Nebelflur entsandten und während der Sechszylinder warmlief: „I moch a Runde. Mitm Hund gehst heit du. Servus.“

Mülleröd also, der Agrarier folgt bedächtig schwingenden Links-Rechts-Kombinationen, am kristallinen Horizont erscheinen umgehend Obertattenbach und Schnecking, das liebreizende Spechtrain kauert im Straßengraben, fordert Wegezoll und seinen Tribut, um die Ecke ducken sich hinter schwarzem Fichtentann auch Unternöham, Beutelhausen, Großbettenrain, sie werden durchforstet und für top befunden. „Alles sauber!“ brüllt der Bauer. Schon ist er leicht betrunken. Nur ein Ziel kennt er noch: Ed! Das Dorf Ed. Er muß nach Ed! Ohne Ed – der Sonntag wäre versaut. Sauer stößt zwar kurz sein Diesel auf, doch er plumpert fort, durch Überackersdorf, sprintet via Sprinzenberg Richtung Siebengattern, mit einem Satz nach Satzing, dort bleibt er beinahe kleben, hängen; während, ja – Klebing sirenengleich ruft! Ach was, der Bauernbub (29) entscheidet sich für Lederhub. Schaltet gleichwohl „einen Gang“ höher, Pattendorf rechtzeitig anzusteuern. Da tankt er auf. Im „Laaberlstüberl“.

Fast Mitternacht, der Sonntag endet. Zwei Gemeinden umgreifen stets wie immer allerweil den Metropolenmoloch Landshut. Ihnen, Unterunsbach und Haschenkeller stattet der alte Hund brav Visiten ab. Mit Pfeifchen im Gemüt kehrt bald er heim. Nun geht er schlafen. Ein Tag, an dem es ihm vergönnt war, die prächtigsten Ortsschilder der nördlichen Hemisphäre passieren zu dürfen, ist zur Neige gegangen. Bald müßte mal ein Ausflug in die Oberpfalz drin sein. Jürgen Roth

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