piwik no script img

Was ist von dem Befund zu halten?

betr.: „Stoff für Muskeljunkies“, „Das Glashaus bricht in Stücke“, taz vom 20./ 21. 11. 99

[...] Schließt man Manipulationen einmal aus – ein naheliegender Gedanke, da Baumann mit seinem Anti-Doping-Engagement sicher mit zu einem der Bremser für ungezügelte Entfaltung des Multimilliardenmarktes „Sport“ gehört –, gibt es nur einen Beweis gegen den Ex-Olympiasieger: den positiven Dopingbefund.

Aber was ist eigentlich von diesem Befund zu halten? Ein weltweit renommierter Dopingexperte wie Werner Franke räumt selbst Forschungsbedarf in Sachen „Nandrolon“ ein. Und es stellt sich schon die Frage, wie zuverlässig die Wissenschaftler die Stoffwechselvorgänge im Körper gerade bei Ausnahmeathleten wie Dieter Baumann oder dem Kenianer Moses Kiptanui überhaupt ermitteln können. Aktive Weltklassesportler dieses Kalibers gehören eben nicht zu der Klientel, die sich den Wissenschaftlern in ihren Labors tage- und wochenlang ausgiebig zur Verfügung stellen. Deshalb dürfte das Erfolgsgeheimnis der Sportelite biochemisch bestenfalls erst in Ansätzen entschlüsselt sein. Bekanntlich tappen Wissenschaftler und Mediziner auch in anderen Forschungsbereichen völlig im Dunkeln, etwa bei den mittlerweile statistisch abgesicherten Spontanheilungen von Krebs- oder Aidspatienten, die bei Schulmedizinern als „austherapiert“ galten, also keinerlei Überlebenschance mehr hatten. Biochemisch nicht erklärbare Phänomene, aber dennoch da! [...]

Also ein „harter“ Dopingbefund auf der einen Seite. Und was steht auf der anderen Seite? Ein Sportler, der nicht nur den Aufbau eines rigorosen Anti-Doping-Kontrollsystems unterstützt und sich ihm selbst uneingeschränkt unterworfen hat. Einer, der während seiner gesamten Karriere das Menschenmögliche getan hat, um die Glaubwürdigkeit seines Sports und seiner Person der Öffentlichkeit unter Beweis zu stellen. [...] Ist dieses jahrelang aufgebaute Vertrauenskapital plötzlich nichts mehr wert? [...] Kostas Petropulos, Tübingen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen