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Was ist an der Vermögenssteuer ungerecht?

betr.: „Gerechtigkeit für Millionäre“, taz vom 14. 10. 99

Bei aller Liebe für die Reichen – was soll an der Vermögenssteuer ungerecht sein? Da würde ich gern etwas genauer hinschauen als Hannes Koch in seinem Kommentar.

Dass das Einkommen schon mal versteuert wurde, bevor es Vermögen wurde, muss keine Vermögenssteuer verhindern. Meine Einkommen sind versteuert, und wenn ich davon eine Wurst kaufe, zahle ich zum zweiten Mal, nämlich Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer), auch ungerecht? Wer viel von seinen Einkünften anhäuft und wenig konsumiert, ist gegenüber mir deutlich im Vorteil. Ist das gerecht? Niemals!

Wer Vermögen hat und sich dieses erhalten will, braucht dafür eine Eigentumsordnung. Diese sichert unser Rechtsstaat. Der kostet Geld. Wer schon mal gegen das große Kapital angetreten ist wie etwa Umweltinitiativen, der weiß auch, dass das große Geld stärker von unserem Recht profitiert als der kleine Mann oder die kleine Frau. Ungerecht – also soll es wenigstens dafür zahlen!

Vermögen braucht zu seiner Substanzerhaltung eine stabile Wirtschaftsordnung, insbesondere Geldwertstabilität. Das Geldsystem ist eine gesellschaftliche Leistung, die es nicht umsonst gibt. Inflationsbekämpfung trifft nicht gleichmäßig, sondern eher die Kleinen. Gerecht? Nein, dafür soll das Vermögen zahlen!

Wer sein Einkommen in ostdeutschen Abschreibungsobjekten anlegt, zahlt keine Steuern, vergrößert sein Vermögen und die Probleme mit der deutschen Einheit. Gerecht? Nein, Nachholbedarf!

Dass die Reichen das Steuersystem nicht legitim finden und ihre Einkommen oder Vermögen dem Finanzamt nicht vorführen wollen, das ist verständlich. Ich halte auch nicht gern vor einer roten Ampel, der Staat zwingt mich mit Hilfe seiner Büttel.

Arnold Voskamp, Münster

Gerechtigkeit für Millionäre? Aber selbstverständlich! Und zwar nach dem uralten Grundsatz der Steuergerechtigkeit der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Wie in fast allen entwickelten Ländern umfasst das die Einkommen und die Vermögen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung zur Vermögenssteuer ausdrücklich betont, dass „in staatlichen Ausnahmelagen auch ein Zugriff auf die Vermögenssubstanz“ zulässig ist und dabei auf das Reichsnotopfergesetz von 1919 und das Lastenausgleichsgesetz von 1952 verwiesen, mit denen die Folgen der Weltkriege ausgeglichen werden sollten. Beide Gesetze sahen die Besteuerung des Vermögens zu einem bestimmten, zurückliegenden Stichtag vor, und zwar beim LastenausglG nach Abzug von Freibeträgen mit einem Abgabensatz von 50 Prozent des Vermögenswertes, zahlbar über 27 Jahre in vierteljährlichen Raten, zuletzt 1979.

Die deutsche Wiedervereinigung stellt eine entsprechende Ausnahmelage dar (nicht aber die Bildungsfinanzierung, über die die SPD diskutiert). Die teilungsbedingte krasse Ungleichverteilung der Vermögen, der hohe Nachholbedarf und die dadurch bedingte öffentliche Kreditbelastung von über 700 Milliarden Mark rechtfertigen einen „Einigungslastenausgleich“ in entsprechender Höhe, der genau wie der Lastenausgleich von 1952 das Vermögen einmal zu einem bestimmten Stichtag belastet, aber in x Raten zu zahlen ist. Die Fluchtmöglichkeiten sind dann stark eingeschränkt und die Erhebung wäre erheblich einfacher als bei einer laufenden Vermögensbesteuerung.

Ähnliche Vorschläge haben die Bündnisgrünen in ihren Programmen stehen. Sie bräuchten sie nur im Bundestag einzubringen.

Horst Schiermeyer, Zittau

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