■ Was erregt ...: Joan Nestle
Was erregt Sie am meisten?
„Es ist sehr wichtig, ein homosexuelles Verständnis von Geschichte in unseren Kampf zu integrieren. Ich denke, daß die Kombination von Frau/Lesbe/homosexuell eine sehr schwierige ist, aber daß wir keine dieser Positionen aus unseren Kämpfen herauslassen können. Das bedeutet ein tiefes Gefühl für jedwede Menschen zu haben, die in einer Gesellschaft auf Grund ihrer ökonomischen Situation, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihres Geschlechtes – aller Arten von Geschlecht – oder durch bürokratische Macht an den Rand gedrängt werden. Ich meine damit, daß in meinem Land Schwule und Lesben dazu verleitet werden, ihre Geschichte zu vergessen. Wir werden als eine Gruppe von KonsumentInnen wahrgenommen, und in einer kapitalistischen Gesellschaft kann man manchmal durch das Versprechen von Akzeptanz dazu verführt werden, die eigene Geschichte zu vergessen.
Aber die Wahrheit ist, egal wieviel Geld wir haben oder wie sehr wir auch glauben, daß wir „durchgehen“ wie alle anderen AmerikanerInnen, passiert es doch gleichzeitig, daß überall in diesem Land gegen Schwulen- und Lesbenrechte, gegen Bürgerrechte votiert wird. Es ist politisch sehr wichtig, daß wir uns die Vorstellung von homosexuell, anders, unterschiedlich und geschlechtskomplex lebendig erhalten und Koalitionen eingehen, basierend auf dem Verständnis für unsere Geschichte.
Was ich am meisten liebe, ist das Verlangen meiner Geliebten nach mir, daß meine Angst davor besiegt, vierundfünfzig Jahre alt zu sein und mich nicht immer wohl zu fühlen. Am meisten liebe ich am Sex, daß eine böse Lebenseinstellung bekämpft wird. Ein Erschauern des Geistes durch des Körpers eigener Stimme.“
US-amerikanische Autorin, Herausgeberin sowie Gründerin des „Lesbian Herstory Archive“ in New York. Joan Nestle ist Zeitzeugin des Stonewallwiderstandes vor 25 Jahren.Foto: taz-Archiv
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