Was das Internet über uns weiß: So surfen Sie sicherer
Anonym surft im Internet schon lange niemand mehr. Die Nutzung eines VPN-Dienstleisters und der "Privacy Mode" einiger Browser können helfen.
BERLIN taz | Wenn Politiker vom Netz reden, nehmen sie gerne die Phrase vom "rechtsfreien Internet" in den Mund. Dort könne im Grunde jeder anonym Straftaten begehen und verleumden, was das Zeug hält. Blöd nur, dass dies schon seit langem nicht mehr gilt: Gespeichert wird inzwischen an jeder Ecke.
Es beginnt mit der Internet-Protokoll-Adresse: Jeder Nutzer ist grundsätzlich über diese so genannte IP lokalisierbar. Die Zahlenkombination wird bei jeder Einwahl vom Provider zumeist dynamisch vergeben und ist dann die "Anschrift", an die die angeforderte Daten aus dem Netz gesendet werden. IPs werden in so genannten Logfiles gespeichert, die Web- und andere Internet-Server führen. "Surfer mit IP X rief zum Zeitpunkt Y Dokument Z ab", heißt es darin dann beispielsweise. Mit Auswertungsprogrammen lassen sich IPs sogar über mehrere Webangebote verfolgen - beispielsweise dann, wenn die Seiten den gleichen Werbevermarkter nutzen, der die IP dann gleich mehrfach feststellt. Auf diese Art wird so genannte personalisierte Werbung möglich. Google ermittelt etwa mit seinen "interessensbasierten Anzeigen" anhand der Surfgeschichte der letzten Zeit, dass sich ein User für Tiere interessiert - und blendet ihm dann beispielsweise Werbung für Hundefutter ein.
IP-Adressen werden auch von Strafverfolgern verwendet, um Internet-Kriminalität auf die Spur zu kommen - und von Geheimdiensten zum Schnüffeln. Auch zivilrechtlich sind IPs eine heiße Ware: Ihre Speicherung wird schon seit längerem in Massenverfahren im Urheberrechtsbereich genutzt. Abmahnanwälte übergeben Gerichten Listen mit Hunderten von IPs, die sie in Tauschbörsen als Anbieter von Raubkopien erkannt haben wollen. Der Richter weist dann den Provider an, die Anschrift des Delinquenten herauszurücken - also wem eine IP-Adresse zu einer bestimmten Zeit zugeordnet war. Der Rechteinhaber kann dann abmahnen lassen oder Strafantrag stellen. Aber auch, wer jemanden in einem Forum beleidigt, kann potenziell über die IP zurückverfolgt werden, entsprechende Fälle kamen bereits vor.
Seitdem in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung Gesetz ist, wird sechs Monate lang zudem zwangsweise festgehalten, wer wann bei seinem Provider eingeloggt war. Das erleichtert die Korrelation von IP und Nutzer deutlich, weil diese Spuren später gelöscht werden Ebenso gespeichert werden müssen E-Mail-Verbindungen - zwar keine Inhalte, aber wer mit wem wann kommuniziert hat, was detaillierte Beziehungsmuster erstellbar macht.
Es ist indes gar nicht so schwer, Datenspuren zu verwischen. Ein wenig Aufwand ist damit verbunden, ja - und eventuell die Aufgabe von etwas gewohntem Komfort. Doch Netzaktivisten haben einige Pakete geschnürt, die es einfacher machen, staatlichen und/oder profitgetriebenen Schnüffeleien aus dem Weg zu gehen. Da wäre zum Beispiel Ubuntu Privacy Remix. Dabei handelt es sich um ein vollständiges und gut bedienbares Linux, das man von CD ablaufen lassen kann. Es enthält Verschlüsselungswerkzeuge und spezielle Filter, die Datenspuren im Netz und auf dem eigenen Rechner minimieren.
Um das IP-Speicherproblem kommt man herum, indem man zwischengeschaltete Computer für seine Surftrips nutzt. Die bekannteste derartige Technik nennt sich TOR. Die freie Software sorgt dafür, dass Daten zunächst über die halbe Welt geschickt werden, bevor sie den Empfänger erreichen, so dass eine Rückverfolgung nicht mehr möglich ist. Nachteil an TOR: Man weiß nie, über wen man seine Daten schickt. Außerdem ist der Datendurchsatz nicht selten eher bescheiden.
Das Problem hat man dagegen nicht, wenn man mit einem so genannten VPN-Dienstleister arbeitet. VPNs sind virtuelle private Netzwerke, eine Art Internet im Internet. Dabei wird über die bestehende Netzverbindung eine verschlüsselte virtuelle Leitung aufgebaut, durch die alle Datenpaket fließen. Der Internet-Provider und eventuell zwischengeschaltete Schnüffler sehen dann nichts mehr. VPN-Dienste sind von verschiedenen Anbietern erhältlich und kosten ab rund 15 Euro im Monat. Auch hier gilt, dass die Verbindung nur soweit sicher ist, soweit man seinem Dienstleister vertraut: Bei dem kommen die Daten im Klartext an, schließlich leitet er sie zum Rest des Netzes weiter.
Aktuelle Browser wie Safari, Chrome oder Firefox bieten seit einiger Zeit auch so genannte "Privacy Modes" an. Diese Datenschutzfunktionen gelten aber allein für die Speicherung auf dem heimischen Rechner - so erfasst der dann nicht mehr in der Browser-Historie, wo man überall hingesurft ist. Auch Cookies, mit denen Websites Besucher nachverfolgbar machen und andere Sitzungsinformationen werden nach Schließen der Software gelöscht. Die Schutztechnik eignet sich also besonders gut in Bereichen, wo man seinen Rechner mit anderen teilen muss - etwa im Büro, am Flughafen oder im Internet-Cafe.
Allerdings sollte man an (halb)öffentlichen Maschinen sowieso vorsichtig sein mit dem, was man eingibt - es könnte ja mitgelauscht und gegen den Nutzer verwendet werden. Nicht selten abhörbar sind außerdem öffentliche WLANs - von anderen eingeloggten Nutzern oder von Dritten, die den Funkverkehr belauschen. So praktisch die Drahtlosnetze also auch sind - man sichert sich darin am besten über ein verschlüsseltes VPN ab. Zudem sollte man stets darauf achten, dass das Abrufen von Mails oder der Login in soziale Netze verschlüsselt erfolgt - entsprechende Seiten erkennt man an Adressen, die mit "https://" beginnen. Hier sind nicht alle Anbieter Engel: So ist bei Twitter standardmäßig etwa keine Verschlüsselung aktiviert - //www.twitter.com:https://www.twitter.com hilft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben