■ Was blieb von den Vorhersagen für das Jahr 1994?: Showdown der Haruspizes
München (taz) – Ein ganzes Heer von Astrologen, Hellsehern, Kaffeesatzdeutern und Eingeweideschauern hatte für das Jahr 1994 gar Schauerliches vorhergesagt:
Anfang August werde in Hannover ein Flugzeug abstürzen, orkanartige Stürme und Überschwemmungen würden im Oktober die Pfalz heimsuchen, durch einen Chemie-Unfall Ende des Jahres werde Leverkusen verwüstet. In den USA werde es Tausende von Toten durch die Explosion einer Atombombe geben, die ein Jugendlicher in seinem Keller selbst zusammengebastelt habe. Gipfel der Horrorprognosen: Boris Becker werde aufhören, Tennis zu spielen.
Alle diese Vorhersagen erwiesen sich als ebenso falsch wie der astrologisch errechnete Rücktritt des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton im April 94, der Rausschmiß Günter Rexrodts aus der Regierung Kohl oder das Attentat auf den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber im November des Jahres. Auch Michael Jackson wurde nicht wegen Kindesmißbrauchs verurteilt, wie Astrologe Kurt Algeier aus den Sternen gelesen hatte. Ganz abgesehen von der deutschen Fußball- Nationalmannschaft, die keineswegs, wie der Parapsychologe Willem Niesen vorhergesehen hatte, ins Endspiel der Weltmeisterschaft kam.
Von den konkreten Vorhersagen stimmte schlechterdings nichts. Lediglich die Münchner Hellseherin Helga Kiesel sagte zutreffend den Gewinn der Deutschen Meisterschaft für den FC Bayern voraus, was allerdings wenig bedeutet, hatten doch Hellseher in Hamburg den HSV, in Frankfurt die Eintracht und in Dortmund die Borussia als Titelgewinner favorisiert.
Viele Prognosen waren (wieder einmal) Allgemeinplätze und Platitüden nach Art des bayerischen Wahrsagers Josef von Mosim, der orakelte, es werde 1994 „in der Politik zu einer starken Zerreißprobe kommen“, eine im sogenannten Superwahljahr nicht sonderlich erleuchtende Vorhersage. Zum Ausgang der Bundestagswahl äußerten sich vierzehn prominente Astrologen: Sieben sagten einen Wahlsieg Helmut Kohls voraus, die anderen sieben einen Sieg Rudolf Scharpings. Besonders geschickt wähnte sich die Astrologin Patricia Bahrani, die im Pfälzer Tagblatt die Abwahl Kohls prophezeite, während zeitgleich in den Kieler Nachrichten einen Sieg der CDU vorhersah. Die Darmstädter Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), die seit Jahren astrologischen Unfug als solchen entlarvt, kam auch Frau Bahrani auf die Schliche.
Wie GWUP-Fachbereichsleiter Edgar Wunder betont, habe erwartungsgemäß kein einziger der etwa 6.000 Astrologen Deutschlands die wirklich überraschenden Ereignisse des Jahres 1994 vorhergesehen: zum Beispiel den erfolgreichen Friedensprozeß in Isreal und Palästina, Aufstieg und Fall Berlusconis, das Ende Jürgen Möllemanns, den Untergang der Achille Lauro. Alle Behauptungen hellseherischer Fähigkeiten hätten sich wieder einmal als völlig haltlos herausgestellt.
Und was bringt das Jahr 1995? Wie der Münchner Astrologe Klaus Deneke vorhersieht, werde es aufgrund einer unheilvollen Konstellation von Pluto, Sonne und Saturn zu ernsthaften Konflikten und Naturkatastrophen kommen. Der Übergang Plutos in die Zeichen Krebs und Löwe weise auf eine entscheidende Veränderung der Weltlage hin: möglicherweise den Ausbruch des Dritten Weltkrieges.
Astrologie ist übrings ein von der Bundesanstalt für Arbeit anerkanntes Berufsbild. Colin Goldner
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