■ Was bedeutet Jugendweihe heute?: Ungefähr so wie Geburtstag
Katrin Hildebrandt, 23 Jahre, Studentin
Die Jugendweihe war das größte Ereignis. Besser als eine Hochzeit. Denn heiraten kann man zehnmal, aber die Jugendweihe gibt's nur einmal, wenn man 14 ist. Dann wird man in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen. Ich habe zum ersten Mal Absatzschuhe getragen, eine Dauerwelle und mich geschminkt. Das ist heute vielleicht anders. Damit beginnen die Kids schon mit 12 Jahren.
Patrick Wiegand, 14 Jahre, Schüler
Ich mache die Jugendweihe nur mit, weil ich Geld bekomme. Ich bin Schüler der achten Klasse, und am 25. April ist es soweit. Ich wünsch' mir nur Geld. Aber wofür ich es ausgebe, weiß ich noch nicht. Meine Mutter hat gesagt, ich soll Jugendweihe machen. Dann darf man rauchen und saufen. Was sich sonst ändern soll, weiß ich nicht. Ich freu' mich auch nicht auf die Feier, nur auf die Kohle.
C. Dasche-Schwochow, 64 Jahre, Rentnerin
Zu meiner Zeit gab es nur die Kirche: Einsegnung nannte sich das. Es war ein sehr schöner Tag. Man war somit als Erwachsener in die Gesellschaft aufgenommen. Die Schulzeit war beendet, und danach fing die Lehre an. Meine Kinder haben sich für die Jugendweihe entschieden. Das war auch schön. Und es ist fast das gleiche. Auch wenn ich die Kirche besser fand, denn damit bin ich aufgewachsen.
Andrea Meier, 14 Jahre, Schülerin
Jugendweihe steht für Erwachsenwerden, zumindest symbolisch. Wir hatten sie vergangene Woche. Zuvor habe ich ein halbes Jahr lang einen Kurs beim Humanistischen Verband besucht, einen Bastelkurs mit Seidenmalerei. Eingeladen waren meine Großeltern. Es war ungefähr so wie Geburtstag. Wir sind ins Theater und essen gegangen. Ich habe Geld, eine Reise und Schmuck bekommen.
Michael Schmidt, 21 Jahre, Student
Jugendweihe, das war das, was alle gemacht haben. Da geht es um Dazugehörigkeit. Wir haben mit der Klasse gefeiert. Kommunion kam nicht in Frage, weil ich damals keine Bindung zur Kirche hatte. Aber der Unterschied ist sicher nicht groß. Und es geht ja auch um Geschenke oder Geld. Heute würde ich mich für die Kirche entscheiden. Das ist wieder eine Frage der Zugehörigkeit.
Werner Kup, 70 Jahre, Rentner
Kommunion, das war für mich als Kind ganz wichtig. Man ist damit religiös unabhängig geworden, konnte eigene Entscheidungen treffen, so war das gemeint. Vom Menschlichen her gibt es keine nennenswerten Unterschiede zur Jugendweihe. Ich werde meinen Urenkeln zu nichts raten. Die Auffassung über das Leben hat sich ja auch geändert, und damit hat Jugendweihe auch zu tun.
Umfrage: Torsten Teichmann
Fotos: Annette Walter
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