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■ Was an dem Vergleich mit Hitler falsch istZeichen der Zeit nicht verstanden

betr.: „Eigentlich nichts gemeint“, „Eine Lokalzeitung macht Weltpolitik“, taz vom 21. 9. 02, „US-Diplomaten sauer auf Germany“ (Däubler-Gmelin), taz vom 23. 9. 02

Der Vergleich der zurückgetretenen Justizministerin Däubler-Gmelin ist schon in seinem Hauptkern falsch: Hitler hat nicht deshalb einen Krieg nach außen geführt, um von den innenpolitischen Problemen abzulenken. Für ihn gab es keinen Unterschied zwischen Innen- und Außenpolitik. Die Eroberung und Unterwerfung Europas im Namen der arischen Rasse war sein explizites Ziel. In den ersten sechs Jahren seiner Diktatur hat er durch brutalste Niederwerfung jedweden inneren Widerstands die Feldzüge nach außen vorbereitet.

Dagegen kommt es wohl eher bei Regierungsformen, die der Legitimation durch Zustimmung der eigenen Bevölkerung bedürfen, vor, durch mehr oder weniger gerechtfertigte Bekämpfung äußerer Feinde von innenpolitischen Problemen abzulenken, nationalen Zusammenhalt zu schaffen und die eigene Regierungsmacht zu legitimieren. Hätte Däubler-Gmelin Bush mit Napoleon verglichen, wäre sie sicher noch im Amt, nicht einmal die Empörung seitens Frankreichs wäre nennenswert gewesen, geschweige denn, dass sich Bush sonderlich beleidigt gefühlt hätte. Wahrscheinlich hätte die Presse das gar nicht erst gebracht. Doch auch dieser Vergleich würde hinken.

Vergleiche mit anderen historischen Personen in solchem Umfang sind nicht nur gefährlich, sondern verbauen den Blick für die kritisierte Person. Dass nun gerade die deutsche Nachkriegslinke schnell mit dem Stigma „wie Hitler“ bei der Hand ist, zeugt oftmals von historischem Unverständnis und wütender Hilflosigkeit. Der heutigen Außenpolitik der USA kann man so nicht beikommen. Hier müssen ganz andere Fragen geklärt werden, die die Besonderheit der Rolle der USA als Weltmacht und zugleich ihren moralischen Anspruch als Zivilisationskultur kritisch beleuchten.

Dass führende politische Kreise in den USA leicht in moralische Hysterie verfallen und schnell an militärische Schläge denken, vor allem, wenn die USA direkt angegriffen werden, ist wohl nicht von der Hand zu weisen. Vielleicht haben gerade solche terroristischen Netzwerke wie al-Quaida und ihr führender Kopf Bin Laden das erkannt und versuchen hier, die USA in eine militärische Falle zu locken, die einen größeren Flächenbrand auslösen soll. Auch wenn diese Netzwerke unmittelbar größere personelle Verluste haben. Personen zählen für sie nur, sofern sie als Helden in den Himmel eingehen. Insofern haben Schröder und Fischer Recht, wenn sie strikt gegen einen Angriff auf den Irak sind. Und Leute wie Däubler-Gmelin haben überhaupt nicht die Zeichen der Zeit verstanden. […] SIGURD WÜRGES, Frankfurt/Main

Wer das Schwäbische Tagblatt kennt, kann über die daraus entstandene Staatsaffäre nur müde lachen. Hier in der Gegend ist das Tagblatt dafür berühmt, Zitate aus dem Zusammenhang zu reißen und zu verfälschen. Wie kann man/frau das nur ernst nehmen.

Abgesehen davon: Wer hat eigentlich was dagegen, dass die Amis ihre Truppen aus Deutschland abziehen? Das stand doch schon vor 20 Jahren an jeder Hauswand: Ami go home!

GEORG LITTY, Unterjesingen

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