■ Warum ist das SPD-Plakat zur Familienpolitik obszön?: Halbseidene Angebote
Warum wirkt das Plakat der SPD zur Familienpolitik lächerlich? Warum entlockt es vielen Betrachtern nur ein müdes Lächeln, wenn da über drei zuckersüßen Werbebabies steht: „macht 750 Mark“? Immerhin ist das Plakat eins der wenigen mit einer konkreten Aussage. Die Sozis versprechen für jedes Kind eine monatliche Prämie von 250 Mark, wenn man nur richtig wählt. Ein konkretes Angebot, und trotzdem voll daneben. Denn gerade in der Formulierung als Akt des Kaufens und Verkaufens erhellt sich dem Betrachter schlagartig, daß Familienpolitik – sagen wir besser kinderfreundliche Politik – eben nicht durch ein paar einfache Gleichungen darzustellen ist: für jedes Kind soundsoviel Geld.
Auf der praktischen Ebene betrachtet, wäre der Vorschlag der SPD ohnehin nur schwer zu finanzieren. Dabei soll dahingestellt bleiben, ob es gerecht ist, auch Hochverdienern für jeden Sprößling 250 Mark im Monat zu bezahlen. Gerecht sind allerdings auch die steuerfreien Kinderfreibeträge nicht, die bislang am meisten denjenigen zugute kommen, die viel Geld verdienen und damit entsprechend viel Steuern sparen können. All diese Angebote sind halbseiden – und ziehen die gesellschaftliche Erfahrung von Eltern und Kindern ins Lächerliche. Denn wer sich für Kinder entscheidet, wird schlagartig auf allen Ebenen mit einer härteren sozialen Realität konfrontiert als vorher. Das fängt bei dem Problem an, eine bezahlbare Wohnung mit ein bißchen Spielgelegenheit drumrum zu finden. Und geht weiter mit dem ständigen Jonglieren der Eltern zwischen Kind und Beruf. Das Gefälle, das in einer Partnerschaft entstehen kann, wenn einer jahrelang an die Wohnung, an Spielplätze gefesselt bleibt, weil sich eben kein Kindergartenplatz und kein angemessener Teilzeitjob finden läßt, kann auch die größte Liebe zwischen Männern, Frauen und Kindern kaputtmachen. Kinder sind ein Risiko, die geglückte Konstruktion eines Vater-Mutter-Kinder-Teams so riskant wie eine gewagte Existenzgründung ohne ausreichend Eigenkapital – um auf der ökonomischen Ebene zu bleiben. Die Scheidungsraten entsprechen in den Großstädten ja auch in etwa der Quote von Firmenpleiten.
Das SPD-Plakat mit dem halbseidenen Angebot zeigt daher nur eins: das Risiko, der Spaß und die Enttäuschung, die ein Leben mit Kindern mit sich bringen, wird durch die Politik der großen Parteien nicht erfaßt, geschweige denn gestaltet. Denn wirklich kinderfreundliche, ja, partnerfreundliche Parteien-Politik, wäre vielleicht die radikalste Politik überhaupt – mit Schritten in allen politischen Feldern, vom Wohnungsbau bis zur Arbeitszeitgestaltung. Sich dem zu stellen wagt aber keine der großen Parteien. Barbara Dribbusch
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