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„Warte nur, bis wir dich kriegen“

■ Drohanrufe gegen PDS-Geschäftsführer nach BILD-„Berichterstattung“ Von Ulrike Winkelmann

„Du lebst nicht mehr lange“, gab einer der ausschließlich männlichen Anrufer kund; ein anderer drohte: „Warte nur, bis wir dich kriegen.“ Aber das sei wohl nur ein Rentner gewesen, der sich auf seine alten Tage noch einmal aufgeregt hätte. Einige Dutzend Droh- und Schmähanrufe hat Andreas Grünwald, Geschäftsführer der PDS in Hamburg, bekommen, nachdem die BILD-„Zeitung“ am 18. Dezember über ihn als Anmelder der „radikal-Demo“ berichtet hatte.

Einen Steckbrief mit persönlichen Daten veröffentlichte BILD zusammen mit einer Fotomontage seines Kopfes vor einer Straßenschlacht-Szene. Titel: „Dieser Mann kostet Hamburg 37 Mio Mark“. Im Text wurden Grünwald und die PDS für den „Chaoten“-Aufmarsch verantwortlich gemacht. Fast 5 000 Autonome und Antifas hatten am 16. Dezember in der Hamburger Innenstadt unter anderem gegen das Verbot der Zeitschrift radikal protestiert.

Andreas Grünwald denkt nicht, daß seine Anrufer aus dem rechtsextremen oder Neo-Nazi-Milieu kommen: „Das klang sehr nach aufgehetztem Mob“, sagt er. Zusammen mit seinen Anwälten überlegt er nun, ob er vor Gericht eine Gegendarstellung erstreiten soll.

Günter Zint vom Szene-FotografInnen-Verband „DOK“ zieht den Vergleich zur personenbezogenen Springer-Berichterstattung, die 1968 zum Attentat auf Rudi Dutschke führte: „Der Artikel ist ein Rückfall in die sechziger Jahre.“

Empört haben er und andere „DOK“-Mitglieder in der Gewerkschaft IG Medien dazu aufgerufen, eine Beschwerde beim Deutschen Presserat einzureichen. Ob der Presserat in Bonn die BILD-Texte als „ehrverletzend“ einstuft, wird sich nicht vor Mai entscheiden. Nach der Einschätzung von Mechthild Kock aus dem Bundesvorstand der IG Medien „geht die Beschwerde jedoch durch“.

Ob sie etwas nutzt, ist eine andere Frage: „Wir glauben nicht, daß eine öffentliche Rüge durch den Presserat bei BILD noch etwas verändert“, so Sigrid Meißner, Verfasserin der Beschwerde und Hamburger Landesvorsitzende der Deutschen Journalisten Union (DJU) in der IG Medien, „aber stehenlassen wollten wir das auch nicht.“ Sie kritisiert insgesamt die Berichterstattung der bürgerlichen Hamburger Medien rings um die „radikal-Demo“ und weist darauf hin, daß VertreterInnen der IG Medien sich gegen das Verbot der Zeitung gewandt hätten.

In Kürze wird eine Sondernummer über die radikal erscheinen, die von GewerkschaftlerInnen und linker Prominenz unterstützt wird. Der Zweck ist, die kriminalisierten radikal-Texte zu dokumentieren; die Auswahl besorgte die Bundesanwaltschaft.

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