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Wand und BodenVerzierte Krawatten zur Imagewerbung

■ Kunst in Berlin jetzt: Herbert Ploberger, Ute Reeh, Darko Fritz

Das Konvolut von 43 Temperablättern und einigen Zeichnungen, das Hendrik Berinson im Nachlaß des Bühnenbildners und Malers der Neuen Sachlichkeit, Herbert Ploberger, entdeckte, ist ein echter Fund. Die jetzt in der museumsakademie berlin ausgestellten Arbeiten, die unmittelbar unter dem Eindruck der Bombenangriffe auf Berlin in den Jahren 1943 bis 45 entstanden, zeigen Ploberger tatsächlich als die „kalte persona“, die Helmut Lethen in seinen „Verhaltenslehren der Kälte“ als den neusachlichen Typus schlechthin analysierte. Anders lassen sich der Reichtum an aberwitzigen Details und die Dreistigkeit seiner Szenen eines in Schutt und Asche gebombten Alltags nicht erklären.

Von Fotos kennt man die leergeräumten Ruinenlandschaften und von der Malerei die Allegorien der Zerstörung. Doch die am Boden zerstreuten Leuchtreklamebuchstaben, die zum Krüppel geschossenen Schaufensterpuppen oder der Volltreffer im Rotationspapierlager, der ganze surreale Tanz der modernen Dinge, die in breiten Mäandern über seine Bildflächen driften, gibt es in den Fotografien nicht. Und wenn Ploberger „Adam und Eva“ als ersichtlich deutsches, wenngleich schwer demoliertes Paar malt und die Nazi-Ikonographie ihrer mullbindenverpackten Lächerlichkeit preisgibt, dann wüßte man nicht, wo man ähnliches schon gesehen hätte.

„Den schlichten deutschen Menschen fort und fort auch inmitten seiner geselligen und dinglichen Umwelt zu zeigen, also im Rahmen seiner Familie, im Zusammensein mit den Haustieren“, war 1941 offizielle Programmatik, der Ploberger 1944 mit der rundum bandagierten Familie Pohl antwortete. Die Mutter ist so arisch blond, daß ihr Haar schon gelb ist, und selbst der deutsche Schäferhund scheint sich im modischen Wundverband mit seiner Herrschaft solidarisch zu erklären.

Doch jenseits des Sarkasmus ist ein zunehmend deprimierter Künstler zu erkennen, der aus dem Realismus in den Surrealismus und aus diesem in die Allegorie flüchtet und dessen Farben immer schwärzer werden.

Bis 25.1., Di.–Sa. 14–19 Uhr, Rosenthaler Str. 39

Berlin tut sich bekanntlich noch heute schwer, von seiner Vergangenheit zu genesen. Der Traum vom neuen Glamour versackt im Leerstand. Davon ist auch Jean Nouvels Quartier 207 betroffen. Schaufenster werden zur Kunstvitrine umgewidmet. Für die Galerie von der Tann stellt Ute Reeh hier ihre Imagekampagne zur Einführung eines neuen Designs namens „Muster“ vor. Es müßte ein leichtes sein. Zumindest die mit „Muster“ verzierte Krawatte sollte ein Hit werden. Denn das zunächst rein abstrakte all over ihres Liniengeflechts erweist sich bei genauer Betrachtung als hübsche Obszönität. Es entpuppt sich als Gewimmel kleiner, nackter, weiblicher Figuren, die sich in Posen gefallen, die in der Öffentlichkeit eigentlich nicht statthaft sind.

„Muster“ differenziert sich dabei in drei Varianten, zwei lineare und eine flächig ausgemalte. Die letztere zeigt die Tapete in der Vitrine, eine der ersteren der Teppichboden. Vier Displays führen „Muster“ auch auf Schuhen, Geschirr und Tragetaschen vor. Als attraktive Oberfläche ist „Muster“ also für alle möglichen stofflichen und auch elektronischen Trägermedien geeignet, wie es überhaupt – der Name deutet es an – ein exemplarisches Unternehmen ist. „Muster“ steht beispielhaft für die Überlagerung der ehedem als Gegensätze gedachten Konzepte wie Werbung/ Kunst, Monochromie/Linie, Dekoration/Abstraktion, Genuß/ Geist und nicht zuletzt Kunstsinn versus Bequemlichkeit: Muster ist auch in der virtuellen Vitrine des World Wide Web zu finden – unter http://www.Artworks.De/ muster/.

Bis 24.1., Französische Straße 23; Gespräch mit Nicolaus Schafhausen im Neuen Berliner Kunstverein am 29.1., 19 Uhr

Auch Darko Fritz, der in der Galerie in der Brotfabrik das totale Archiv seines „End of the Message“-Projekts zeigt, gibt eine Internetadresse an. Leider ist sie nirgendwo korrekt angegeben. Tatsächlich lautet sie http: //clix. Net/clix/artexhibitions/. Anders als Ute Reehs Website trägt sie nur wenig Erhellendes bei. Allerdings ist Fritz' „End of the Message“-Projekt eine ziemlich komplexe Angelegenheit, die nach sieben verschiedenen Phasen, gleich Ausstellungsorten, nun tatsächlich zu ihrem Ende kommt.

Den Anfang bildete 1995 eine Installation im Rijksmuseum Twenthe. Dort waren 12 Kunstwerke aus den letzten Jahrzehnten des 16. bis 19. Jahrhunderts zu sehen. Der Besucher sah sich in einem konvexen Spiegel an der Decke und auf den Monitorbildern einer Überwachungskamera zweifach gespiegelt. Aus dem Videoband produzierte Fritz eine Serie von Stills, die nun in Berlin zu sehen sind, zusammen mit dem Videoband aus dem Rijksmuseum und einem weiteren, das aus der Ausstellungssituation in einer Bank herrührt.

Die blauweißen Videostills mit dem technischen Zeitcode zeigen Porträts aus einer ungewohnten Untersicht heraus. Je nachdem, welche Distanz die gefilmten Besucher zur Kamera hatten, sind die Bilder scharf oder nicht. Der Zeitcode benennt als scharfe Bilder: 15-34-13 Uhr, eine Hand, an der ein Ring glänzt, 15-34-43 Uhr, ein Kindergesicht, und 15-35-02 Uhr, das linke Auge einer älteren Person.

Waren die Besucher in den vorangegangenen Phasen immer wieder in das Projekt involviert, so sind sie in Berlin nur noch Betrachter. Sie haben nun zwar Zeit, den symbolischen Code des technischen Codes zu entschlüsseln, aber das Archiv ist tatsächlich das Ende der Nachricht. No more monitoring.

Bis 21.1., Mi.–So. 18–22 Uhr, Prenzlauer Promenade 3 Brigitte Werneburg

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