Wand und Boden: Küche und Karriere
■ Kunst in Berlin jetzt: Elvira Bach, Schweizerische Schulwandbilder, Gregg A. Schlanger
Nicht einfach eine Künstlerin, sondern ein weiblicher Malerstar: Elvira Bach. Die einzige wilde Frau neben all den wilden Männern, die zu Beginn der achtziger Jahre international für Aufsehen sorgten, treibt sich mit ihren neuesten Bildern in der Küche herum. Allerdings, unter einer Bulthaupt-Werkbank tun's ihre „Küchendiven“ nicht, so wie sie aussehen: energisch, sexy, gut gedreßt und gut geschminkt – und ausgesprochen arriviert.
Nicht, daß man in den temperamentvollen Pinselstrichen ihren schrillen Frauentyp nicht wiedererkennen würde. Doch die kantigen Körper sind runder geworden, weicher, und ein Miniaturmensch krallt sich jetzt ans schicke Mutterbein. Kinder, Küche und Karriere sind ein Spaß. Beim morgendlichen Saftpressen läßt frau die Orangenscheiben durch die Luft fliegen, daß es eine Lust ist, und diese Lust heißt „Sie tanzt in der Stadt“ (1997). Da, wo Elvira Bach ausstellt, tanzt jetzt auch die Stadt. Und die junge Kunstszene, mit der sie nach Verlautbarung der Galerie Deschler die Auseinandersetzung sucht.
Bis 12.7., Di.–Fr. 14–19, Sa. 13–17 Uhr, Auguststraße 61
Bachs „Küchendiven“ könnten ein gutes Motiv für das Schweizerische Schulwandbild abgeben – wäre das Projekt nicht im vergangenen Jahr eingestellt worden. „Kunst zwischen Stuhl und Bank“ in der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung dokumentiert ein signifikantes Kapitel schweizerischer Kunst- und Bildungspolitik.
Zu Zeiten der Weltwirtschaftkrise als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für bildende Künstler gedacht, fanden die Farbdrucke weite Popularität und hingen sogar im Geschäftssitz des Schweizerischen Bankvereins in New York an der Wand. Das Projekt war eine hybride Angelegenheit.
Auf der einen Seite sollten durchaus erstrangige Künstler für die Aufgabe gewonnen und sollte der Kunstcharakter der Bilder deutlich werden. Auf der anderen Seite mußte aber ein nationalpädagogischer Auftrag erfüllt werden, der 1935 „geistige Landesverteidigung“ hieß. Natürlich trug die Landesverteidigung den Sieg davon und eine figurative Kunst, die leicht lesbare Aussagen machte. Die Schweizer sahen sich in der Familie der „Murmeltiere“ symbolisiert: wachsam gegenüber einem übermächtigen Feind, vereint im Rückzug und im Abwarten aus gesicherter Stellung, „bis das Gröbste vorbei ist“. Schweizer Sinn war Gemeinschaftssinn, weshalb der Held Winkelried in Otto Baumbergers „Schlacht von Sempach“ zu einem traurigen, verlorenen, am Boden kauernden Winzling schrumpfte.
Am besten funktioniert der Zweckverband von Kunst und Pädagogik im neusachlichen Lob der Technisierung, etwa beim „Hochdruck-Kraftwerk“ von Hans Erni. Daß das Unternehmen bei ganzen Generationen von Schweizer Schülern traumatische Erinnerungen hinterließ, wundert nicht.
Bis 11.7., Mo.–Fr. 10–18 Uhr, Warschauer Straße 34–38
Heutzutage sieht pädagogisch wertvolle Kunst anders aus. Eher wie die Installation des amerikanischen Bildhauers Gregg A. Schlanger in der Galerie Neue Räume. „Redfish Waters, Redfish Dreams“ hat ein umweltaktivistisches Anliegen: Hunderte bleiche, an Drähten aufgehängte Holzfische schwimmen beziehungsweise schweben bei Schlanger gegen den Strom, den er mit Hilfe von sieben Trögen aus rohem Kiefernholz und einer Wasserpumpenanlage gezimmert hat.
Man ahnt, worum es geht. Ein einziger unter diesen Gespensterfischen ist rot und erinnert an den Redfish Lake, Idaho, woher der Künstler stammt. Früher verwüsteten Bergwerksgesellschaften dieses Gebiet. Ihre verlassenen Schleusen, an deren krude Bauweise Schlangers Wasserfallstraße anknüpft, bedeuten aber nicht, daß die Natur sich erholte. Andere, effektivere Dämme und Kraftwerke ließen die Lachse verschwinden. Nur das Geräusch des langsam plätschernden Wassers gibt der wenig kunstvollen, utilitär-technisch perfekten Ausführung einen hoffnungsschwangeren Klang.
Bis 26.6., Mo.–Fr. 11–19 Uhr, Axel-Springer-Straße 39 Brigitte Werneburg
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