Wand und Boden: Ornament und Bananenröckchen
■ Kunst in Berlin jetzt: Banks Kreuzigung, Chris Ofilis Elefantendung, Rachel Lachowicz' Zelt
In unseren Tagen klingt ein Ausstellungstitel wie „Jesus was a Jew“ politisch sehr korrekt. Daß Jesus in der Ausstellung darüber hinaus ein afrokaribischer Mann und auch eine Asiatin ist, scheint die Sache nur stromlinienförmiger zu machen. Gleichzeitig ist das Thema nicht gerade naheliegend. Und am wenigsten würde man wohl erwarten, daß es ausgerechnet drei Absolventen des Londoner Goldsmith College sind, die einen beeindruckenden Kalvarienberg inszenieren, indem sie drei riesige Holzkreuze zwischen Boden und Decke rammen, an denen die überlebensgroßen Wachskörper schmachten.
Die etwas über dreißigjährigen Briten firmieren unter dem Namen Bank als ein Kollektiv, das man weit weg von jenem phantasievoll blasphemischen Katholizismus verorten würde, der schon im 18. Jahrhundert mit der heiligen Kümmernis im Augustinerkloster von Rattenberg in Tirol eine Frau ans Kreuz schlug. Aber das Verblüffende an ihrer Installation in The Works – einer großartigen, wenngleich leider kaum geheizten neuen Ausstellungshalle, die Francesca Ferguson in Mitte aufgetan hat – ist, daß Bank tatsächlich auf der Schiene eines volkstümlichen Katholizismus zu fahren scheinen und entsprechend Folter, Wunden und Tod in einem absolut detailversessenen Naturalismus ausarbeiten, wie man ihn vom krudesten Reliquienkult kennt.
Die Haut der multikulturellen Christusfiguren ist totenblaß und die gelbblauen Schwellungen der Blutergüsse sind genauso sorgfältig präpariert wie die offenen Wunden. Daß neben den behaarten Beinen die männlichen Geschlechtsteile ebenso lebensecht ausschauen, die man unter dem Hüfttuch erspähen kann, versteht sich dann auch schon von selbst. Auch eine Art von Eros & Ecclesia.
Bis 1.12., Dircksenstraße 41, Do. u. Fr. 12–19, Sa. 14–18 Uhr
Mit seinen vier großen Leinwänden bei Contemporary Fine Arts, zu denen noch einige Zeichnungen und ein winziges Ölbild kommen, bewegt sich auch Chris Ofili im politischen Raum. „Pimpin' ain't easy, but it sure is fun“, behauptet der knapp Dreißigjährige. Doch man darf sich fragen, ob der Zuhälter wirklich soviel Spaß hat, ob er wirklich eine glückliche Figur ist. Daß er schwarz ist wie die Frauen, von denen er lebt, macht die Sache zunächst einmal nur deutlicher. Es ist nicht unbedingt ein schwarzes Schicksal, Zuhälter zu werden, in den westlichen Industriegesellschaften allerdings wahrscheinlicher, denn als Künstler zu reüssieren.
Chris Ofili, der in Manchester geborene Künstler nigerianischer Abstammung, hat das geschafft und ist zum Beispiel schon in der Saatchi-Sammlung vertreten. Und weil er seine polemischen Anmerkungen zu Identität, Ethnizität, Exotismus, Rassismus, Sexismus in starken Bildern rüberbringt, hat das tatsächlich mit Spaß und ästhetischem Witz zu tun. Mittels aufgetupfter Farbpunkte, die an afrikanische Narbenornamentik erinnern, zeichnet Ofili Flächen und Umrißlinien seiner Porträts.
Die Punkte setzt er auf einen gläsern glänzenden Untergrund, der aus Kunstharzschichten besteht, die mit Glittern, farbenprächtigen floralen und geometrischen Mustern und einmontierten Fotos – vornehmlich aus einschlägigen Sexmagazinen – durchsetzt sind. Alle Bilder zieren große dunkelbraune Knödel aus Elefantendung, ein Bildelement, das Ofili von einem Studienaufenthalt in Simbabwe mitbrachte. Ist „She“ eine in sich ruhende Schönheit, so hat sich „Blossom“ mit langen roten Fingernägelkrallen und einem üppigen Afro-Look schon glamourös herausgeputzt. Weil sich der Pimp jedoch weiter anstrengt, ist „Roxy“ nur noch Titten und Perücke. Vielleicht ist diese Story, die sich von Bild zu Bild fortschreibt und in einem steilen Phallusbild ihr Ende hat, etwas zu simpel erzählt. Da die Bilder in sich jedoch vielschichtig angelegt sind und die gern einmontierten winzigen Afroköpfe der 70er Jahre ebenso der politischen Botschaft wie der ornamentalen Pracht dienen, kompliziert sich die Sache. Ofili zieht sich mit Eleganz aus der Affäre.
Bis 6.12., Mo.–Sa. 10–18 Uhr, Sophienstraße 21
In den Dogenhaus Projekten Berlin hat die kalifornische Künstlerin Rachel Lachowicz für Josephine Baker ein schwarzweißgestreiftes Ein-Mann- Armeezelt aufgebaut. Damit das Idol derjenigen Architekten, die man ruhig unter male chauvinists rubrizieren darf, doch noch ein Unterkommen findet.
Von Adolf Loos über Le Corbusier bis hin zu Joseph Kleihues reicht die Reihe. Lachowicz hält sich an den ersten und hängt hinter das Zelt ein Modellfoto des Hauses an die Wand, das Loos 1928 für Josephine Baker entwarf. Zwar durfte hier ihre schwarze Exotik die dogmatisch weiße Wand der europäischen Avantgarde durchdringen, doch der Akt der Verehrung endete dennoch irgendwie unpassend in einem streng gestreiften Denkmal. „Was ist Loos?“ fragt Rachel Lachowicz zu Recht und setzt ihr Selbstporträt daneben, das die Künstlerin im Bananenröckchen der Baker zeigt, wobei auch die Bananen schwarzweiß gestreift sind.
Lachowicz knöpft sich die Heroen der klassischen Moderne vor und zündet beispielsweise Marcel Breuers berühmten Sessel einfach an. Brandstiftung als Herausforderung an die autoritär verfestigte Avantgarde wie als skulpturale Methode für eine neue Form, eine schöne Ruine, die aus dem buchstäblich verzehrenden Konsum entsteht.
„Drive thru Combos“ steht für eine Serie von Stills, deren Basis die Bestandteile einer typisch amerikanischen Fast-food-Mahlzeit bilden. Lachowicz spezifiziert dieses Arrangement für den modernen Berufs- und Lifestyle- Menschen: Die Fritten werden durch Lidschatten ersetzt, das Tablett ist das Trendmagazin für den Innenarchitekten. Die Fotoarbeit „Hausmeister“ deckt den Ursprung des Corporate-identity-Wahns auf. In den historischen Bildern von den Wiener Werkstätten und dem Bauhaus sieht man, wie die Formgeber in weißen Laborkitteln gewissenhaft ihrer Arbeit nachgehen: Dr. Seltsam oder Wie man Design zu hassen lernt.
Bis 6.12., Mi.–Fr. 14–19, Sa. 12–16 Uhr, Auguststraße 63 Brigitte Werneburg
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