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Walpurgisnacht in Berlin"Unsere Botschaft ist angekommen"

Trotz vieler Befürchtungen verlief bis kurz vor Mitternacht die Walpurgisnacht in Berlin friedlich. Zu einem Marsch gegen den rechten Szenetreff "Zum Henker" kamen hunderte Demonstranten.

Massiver Polizeischutz für den rechten Szenetreff "Zum Henker" in Berlin. Bild: dpa

BERLIN taz | Entgegen mancher im Vorfeld von CDU-Politikern geäußerten Befürchtungen ist die Walpurgisnacht in Berlin bis kurz vor Mitternacht weitgehend friedlich verlaufen. Rund 1.200 Menschen haben sich am Abend traditionell auf dem Boxhagener Platz in Berlin-Friedrichshain versammelt und eine "antikapitalistische Walpurgisnacht" gefeiert. Erst als kurz vor 23 Uhr die Polizei die Feierlichkeiten beenden wollte, kam es zu einigen Scharmützeln.

Bis etwa 22 Uhr hatte es eine Kundgebung mit Reden und Appellen gegeben. Aufgerufen hatte die linksradikale Gruppe "Berliner Anti-Nato-Gruppe" (BANG). Ihre Veranstaltung richtete sich gegen Gentrifizierung, der zunehmenden Aufwertung von innerstädtischen Stadtteilen und die damit einhergehende Verdrängung der bisherigen Bevölkerung.

Am Boxhagener Platz war es im Anschluss der politischen Veranstaltungen in den vergangenen Jahren stets zu Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen. In diesem Jahr ist es bis zum späten Abend ruhig geblieben. Auf dem Boxhagener Platz herrscht seit dem frühen Nachmittag ein absolutes Verbot von Glasflaschen. Die Polizei war am Freitag stadtweit mit mehr als 3.000 Beamten im Einsatz.

Am frühen Abend schon hatten im Stadtteil Schöneweide im Bezirk Treptow-Köpenik rund 800 Menschen gegen die bei Neonazis beliebte Kneipe "Zum Henker" demonstriert. Der Demonstrationszug hatte sich kurz vor 18 Uhr am S-Bahnhof Schöneweide in Bewegung gesetzt und führte an der Kneipe vorbei. Bis auf einen Farbwurf auf die Fassade der Kneipe ist es nach Angaben eines Polizeisprechers zu keinen besonderen Zwischenfällen gekommen. Lediglich im Lokal nahm die Polizei nach eigenen Angaben zwei Neonazis fest. Der eine hatte den verbotenen Hitlergruß gezeigt, der andere hatte SA-Tätowierungen auf seinem Arm.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Benedikt Lux, sprach von einer guten Stimmung. Die Sicherheitskräfte und Demonstranten hätten sich angemessen verhalten. Auch die Veranstalter der Demonstration zeigten sich zufrieden über den Verlauf: "Unsere Botschaft ist angekommen. Das war ein guter Auftakt für unsere Demos am 1. Mai", sagte ein Sprecher.

Im in weiten Teilen von Polizeizäunen vergitterten Mauerpark im Stadtteil Prenzlauer Berg feierten ebenfalls Hunderte friedlich die Walpurgisnacht. In unmittelbarer Nähe des Mauerparks wollen am Samstag tausende Rechtsextremisten ihren Aufmarsch abhalten. Offiziell macht die Polizei weiterhin keine Angaben über den genauen Routenverlauf. Nach jüngsten Informationen aus Sicherheitskreisen bleibt es aber mit großer Wahrscheinlichkeit bei der bisher bekannten Strecke. Demnach planen die Neonazis vom S-Bahnhof Bornholmer Straße bis zum S-Bahnhof Landsberger Allee zu ziehen.

Die Gegenseite hält entsprechend an den angekündigten Blockadepunkten fest. Das Anti-Nazi-Bündnis ruft zu Blockaden an der Osloer Straße westlich vom S-Bahnhof Bornholmer Straße auf, zu einer weiteren östlich vom Bahnhof, sowie einer Kundgebung ab 9 Uhr an der Kreuzung Schönhauser Allee/Bornholmer Straße. Zudem rät das Bündnis zur gemeinsamen Anreise. Treffpunkte sind um 9 Uhr am S-Bahnhof Ostkreuz sowie zeitgleich um 9 Uhr am Alexanderplatz.

M. Kaul, F. Lee, G. Asmuth, K. Litschko, C. Ziegner

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1 Kommentar

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  • SG
    Stefan Gerber

    Zu den "antikapitalistischen" Inhalten, die bei der (Neo-)Nazidemonstration am 1.Mai vertreten werden, gibt es einen sehr gelungenen Text beim Internetportal Indymedia: "Völkisch daneben -

    Kapitalismuskritik von (Neo-)Nazis versteht weder den Kapitalismus, noch will sie ihn abschaffen."

    http://de.indymedia.org/2010/04/279360.shtml