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Wahlniederlage für Albaniens Exkommunisten

■ Albaniens Präsident Sali Berisha erklärt sich zum Wahlsieger. Die Opposition klagt über Manipulationen, OSZE-Beobachter berichten von Unregelmäßigkeiten

Tirana/Berlin (AFP/AP/taz) – Noch vor Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses hat Präsident Sali Berisha seine Demokratische Partei (PDA) zum Sieger der dritten albanischen Parlamentswahlen ausgerufen. Nach Angaben des staatlichen Rundfunks kann die PDA bei einem Stimmenanteil von etwa 60 Prozent mit einer parlamentarischen Zweidrittelmehrheit rechnen.

Nach den ersten Hochrechnungen gewannen die Sozialisten (PPSH) als größte Oppositionspartei nur etwa ein Drittel der Wählerstimmen und blieben damit weit hinter ihren Erwartungen zurück. „Eine Gruppe von Marxisten, die eine totale Niederlage verdienen, hat verloren“, kommentierte Präsident Berisha das Ergebnis. Die Nachfolgepartei der albanischen Kommunisten hatte als Wahlziel proklamiert, die PDA-Regierung durch eine Koalition abzulösen, der auch die Sozialdemokraten, die Demokratische Allianz und die Partei der Menschenrechte (EAD) als Vertretung der griechischen und vlachischen Minderheit angehören sollten.

Von den oppositionellen Parteien wird die demokratische Legitimation des Wahlergebnisses allerdings angezweifelt. Die Sozialisten und vier kleinere Parteien zogen noch vor Schließung der Wahllokale ihre Kandidaten zurück und forderten die Annullierung des Urnengangs. Sie beklagen sich über systematische Behinderungen im Wahlkampf, Mißbrauch der staatlichen Medien und Manipulationen in den Wahllokalen. In der Tat wurden die Vertreter der Opposition in mehreren Bezirken, in denen der PDA-Sitz gefährdet schien, aus den Wahlkommissionen ausgeschlossen.

Aufschluß über die demokratische Qualität der albanischen Parlamentswahlen wird von der Beobachterdelegation der EU und der OSZE erwartet, die zwar von Unregelmäßigkeiten berichtet, aber noch kein abschließendes Urteil abgegeben hat.

Einen handfesten Vorteil hatte sich die Regierungspartei PDA schon durch das Wahlgesetz verschafft. Die Vergabe von 115 der 140 Parlamentssitze an die siegreichen Wahlkreiskandidaten diskriminiert die kleinen Parteien, da nur noch 25 Sitze nach dem Proporzsystem verteilt werden.

Sollte das Wahlergebnis anerkannt werden, hätte Präsident Berisha seine Vorherrschaft, die seit November 1994 gefährdet schien, langfristig abgesichert. 1994 hatte Berisha überraschend ein Referendum verloren, das eine neue Verfassung autoritären Zuschnitts verabschieden sollte. Mit einer Zweidrittelmehrheit für die PDA würde der Durchsetzung dieses Verfassungsprojektes nichts mehr im Wege stehen.

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