Wahlkampfthema Mehrwertsteuer: Die Angst vor dem Wähler
In der Union ist wenige Monate vor der Wahl ein Streit über eine höhere Mehrwertsteuer ausgebrochen - und "Merkel tobt". Die Grünen raten der Union derweilen, ihr Wahlprogramm lieber "in die Tonne zu tun".
BERLIN afp/ap/rtr/taz | Die Union versucht vor der Verabschiedung ihres Wahlprogramms verzweifelt, die Debatte über ihre Steuerpolitik zu beenden. CDU-Generalsekretär Roland Pofalla kritisierte, dass Unionspolitiker ihre "persönliche Meinung in Zeitungsinterviews verbreiten", anstatt das Regierungsprogramm von CDU und CSU zu vertreten.
Der Fraktionschef der Union Volker Kauder beteuerte: "Steuererhöhungen jeglicher Art schließen wir aus." Die Debatte über die Mehrwertsteuer nannte Kauder in der Rheinischen Post "unsäglich".
Dieser Angriff zielt auf den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU), der am Tag zuvor vorgeschlagen hatte, den reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent auf 9,5 Prozent anzuheben. Dies bedeutet eine Verteuerung von Lebensmitteln, Büchern, Zeitungen und weiteren Produkten. Dafür, so Oettinger, solle der 19-prozentige Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie gesenkt werden.
Ein Unionsvertreter im Bundestag brachte den Streit auf die Formel: "Merkel tobt." Die Parteichefin und Bundeskanzlerin hatte Anfang der Woche noch deutlich gesagt, dass es mit ihr eine Mehrwertsteuererhöhung nicht geben werde. Stattdessen verspricht die Union in ihrem Wahlprogramm allerlei. So soll das Schonvermögen der Hartz-IV-Empfänger erhöht werden, allerdings nennt die Union dafür keine Summen. Außerdem soll der Eingangssteuersatz der Einkommensteuer von derzeit 14 auf 12 Prozent sinken. Das kommt allen Steuerzahlern zugute.
Reiche werden in dem Entwurf besonders bedacht. Der Spitzensteuersatz soll nicht ab 52.150 Euro Jahreseinkommen fällig werden, sondern erst ab 60.000 Euro. Eine Gegenfinanzierung für die fehlenden Einnahmen von etwa 20 Milliarden Euro enthält das Wahlprogramm nicht. 2010 rechnet Finanzminister Peer Steinbrück mit neuen Staatsschulden von mindestens 86 Milliarden Euro.
Der Fraktionschef der Grünen Fritz Kuhn warf der Union in der Steuerpolitik Verlogenheit vor. "Wer bei über 100 Milliarden Euro neuer Schulden beim Bund Steuersenkungen verspricht, hält die Leute für dumm", so Kuhn. Steuersenkungen seien angesichts der Krisenfolgen völlig unrealistisch. Wer dies ernsthaft wolle, werde bei "brutalen Sozialkürzungen" bei Rente, Krankenversicherung oder Arbeitslosengeld enden. "Ich rate der Union, ihr Programm bereits jetzt in die Tonne zu tun."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär