Wahlkampf: Gute Nacht, Atomkraft!
Nur vier Prozent der Wahlberechtigten erwarten, dass durch längere Akw-Laufzeiten die Strompreise sinken - der CDU geht ein Argument verloren, sagen Akw-Kritiker.
BERLIN taz | Die Ankündigung von Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU), längere Laufzeiten für Atomkraftwerke an strenge Bedingungen zu koppeln, ist von Umweltverbänden als durchsichtiges Wahlkampfmanöver kritisiert worden.
Söder hatte gefordert, dass Energiekonzerne einen Teil ihrer zusätzlichen Einnahmen aus den längeren AKW-Laufzeiten abgeben sollten, um erneuerbare Energien zu fördern, das marode Atommüll-Lager Asse zu sanieren und die Strompreise zu senken. Auch anderen Politiker von Union und FDP waren verbal auf Distanz zur Atomwirtschaft gegangen.
"Union und FDP versuchen mit atompolitischen Tricks und Täuschungen, die eigenen Anhänger bei der Stange zu halten", sagte Jochen Stay, der Mitorganisator der Anti-Atom-Demonstration am Samstag in Berlin war. In erneuerbare Energien müssten die Stromkonzerne unabhängig vom Atomausstieg investieren, um dieses Geschäft nicht zu verschlafen.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) präsentierte eine Umfrage des Instituts Infratest, wonach nur kleine Minderheiten an die versprochenen Gegenleistungen glauben. Nur vier Prozent der Wahlberechtigten erwarten, dass durch längere AKW-Laufzeiten die Strompreise sinken. Dass die Konzerne die Zusatzgewinne für Klimaschutz einsetzen, glauben nur sieben Prozent.
Drei Viertel der 1.000 Befragten sind der Meinung, dass längere Laufzeiten zu höheren Gewinnen der Betreiber führen. "Das Märchen, längere Laufzeiten für die Atommeiler könnten die Strompreise niedrig halten, sollten die Wahlkampfmanager von FDP und Union ad acta legen - es glaubt ihnen sowieso keiner", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.
Das Deutsche Atomforum, der Dachverband der AKW-Betreiber, kommentierte Söders Vorschläge auf Anfrage nicht, sondern verwies auf eine Rede vom Mai. Damals hatte Atomforums-Präsident Walter Hohlefelder gesagt, die Betreiber seien "grundsätzlich einverstanden, einen politischen Preis für die Laufzeitverlängerung zu bezahlen". Im Jahr 2005 hatte er entsprechende Vorschläge noch empört zurückgewiesen.
Auf die Zusage niedrigerer Strompreise könne man sich "nicht einlassen", und eine Gewinnabschöpfung sei "ordnungspolitisch völlig inakzeptabel", hatte Hohlefelder der Berliner Zeitung gesagt. Und: "Welches Interesse sollten wirtschaftlich agierende Firmen an längeren Laufzeiten haben, wenn wir dadurch keinen Gewinn machen?"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!