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Archiv-Artikel

DOMINIC JOHNSON ÜBER DIE BRITISCHE TV-DEBATTE Wahlkampf ohne Gewinner

Ausgerechnet während das Ansehen der Politiker in Großbritannien einen Tiefpunkt erreicht, bereichert ein neues Element den britischen Wahlkampf: die Fernsehdebatte zwischen Premierminister Gordon Brown, Oppositionsführer David Cameron und Liberalenchef Nick Clegg.

Interessant war das Spektakel am Donnerstagabend aber nur, weil sich die britische Wählerschaft bisher standhaft weigert, sich für irgendeine Partei wirklich zu interessieren. Und dass Clegg, das Leichtgewicht unter den dreien, als relativer Gewinner aus der Show hervorging, hatte höchstens mit Neugier auf ein unbekanntes und eher unbelastetes Gesicht zu tun, weniger mit der Zustimmung zu einem Parteiprogramm, das mit Merkwürdigkeiten wie einem Freizügigkeitsverbot für Immigranten innerhalb des Staatsgebiets aufwartet.

Bis Donnerstagabend wusste die Mehrheit der britischen Wähler nicht einmal, wie der Führer der Liberalen überhaupt aussieht. Jetzt erwartet sie ein Wahlkampf zwischen drei zunehmend als gleichwertig beurteilten politischen Strömungen. Wenn die weiteren Debatten diesen Trend bestätigen, ist der Wahlausgang völlig offen.

Die verbleibenden Wochen vor der Parlamentswahl am 6. Mai drohen daher spannender zu werden, als es den Wählern lieb ist. Der Favorit Cameron wirkt blass, Amtsinhaber Brown abgenutzt. Wenn keiner die absolute Mehrheit schafft, werden die Liberalen unter Clegg Königsmacher. Je besser er sich schlägt, desto mehr wird er unter Druck kommen, eine Koalitionsaussage zu machen. Dies kann er aber nicht, denn es gibt darüber keinen Konsens in seiner Partei: gut möglich, dass die Wähler dieses Spielchen nicht goutieren und sich auch hier enttäuscht abwenden. Dann steht am Ende nicht der Aufbruch in eine neue Ära, sondern die Ausweitung der Politikverdrossenheit.

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