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Wahlen zum AbgeordnetenhausDie Rechte will in die Mitte

Nach den Anschlägen von Oslo warnen Experten vor rechten Antiislamisten in Berlin - etwa in den wahlkämpfenden Parteien "Die Freiheit" und "Pro Deutschland".

Bei diesem Anlass waren die Rechtspopulisten schon in der Mitte - umgeben von Polizei und Gegendemonstranten. Bild: dapd, Maja Hitij

Vier Tage nach den Anschlägen von Oslo und der Ermordung von 76 Menschen in einem Camp der norwegischen Jungsozialisten warnt der Integrationsbeauftragte des Senats, Günter Pienig (Grüne) vor der Verbreitung von rechtspopulistischen und islamfeindlichem Gedankengut in Berlin. Unter dem Titel "Wie nah ist Oslo?" forderte er am Dienstag ein verstärktes Vorgehen gegen solche Ideologien, die zunehmend Eingang in die Gesellschaft gefunden habe.

In Berlin betreiben die rechtspopulistischen Parteien "Pro Deutschland" und "Die Freiheit" derzeit ihren Wahlkampf zur Abgeordnetenhauswahl im September mit Parolen wie "Abschaffung des Berliner Integrationsgesetzes" oder "Zuwanderung begrenzen, Islamisierung stoppen". Dabei grenzen sie sich bewusst zur rechtsextremen Szene ab. Sie führen die Selbstbezeichnung "Demokraten" und suchen damit den Zugang zur Mitte der Gesellschaft.

Dieser sei in Berlin durchaus existent, erklärt der Parteienforscher Gero Neugebauer von der Freien Universität (FU). Laut einer Studie der FU aus dem Jahr 2008 sei bei 14 Prozent der BerlinerInnen rechtsextremes Gedankengut verbreitet gewesen. Ein Beispiel dafür sei auch die Sarrazindebatte im vergangenen Jahr und das steigende islamfeindliche Klima in der Gesellschaft. Auch stamme der Berliner Gründerkreis der Partei "Die Freiheit" nicht aus der rechtsextremen Szene, sondern setzte sich aus zwei ehemaligen CDU-Mitgliedern und einem der Piratenpartei zusammen, so Neugebauer.

Dass die anstehenden Wahlen in Berlin ein Signal für die bundesweite Entwicklung der Rechtspopulisten sein wird - da sind sich die Experten einig: "Ein Einzug in das Abgeordnetenhaus wäre symbolträchtig, deshalb kommt Berlin eine Schlüsseltstellung zu", sagte der Politologe Marcel Lewandowsky von der Universität Bonn. Ein Wahlerfolg auf Landesebene erscheine derzeit aber unwahrscheinlich, sagte er weiter. "Vorstellbar ist eher der Einzug in vereinzelte Bezirksverordnetenversammlungen", erklärte auch Ulf Bünermann, Mitarbeiter der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus.

Markus Tervooren, Geschäftsführer der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA), sieht das konkreter. Bedeutend für mögliche Erfolge der Rechten bei den anstehenden Wahlen könnte "das alte schwarz-braune Milieu (West-)Berlins" sein. Mit dessen Unterstützung seien 1989 auch die rechtsextremen Republikaner mit 7,5 Prozent und 11 Abgeordneten in das Abgeordnetenhaus eingezogen, sagte er.

Das Bemühen von "Pro Deutschland" und "Die Freiheit" um eine Distanzierung zu den Ereignissen in Norwegen sei wegen des Wahlkampfes kein Wunder, erklärten die Experten. Die Parteien seien dabei zwei Prinzipien gefolgt: Auf der einen Seite würden sie in die Offensive gehen, und ihre vermeintliche Solidarität mit den Opfern bekunden. Auf der anderen Seite griffen sie zu einer Täter-Opfer-Verdrehung, indem sie den Attentäter Breivik als ein Opfer der multikulturellen Gesellschaft darstellten, erklärte Tervooren. "Hier geht es um die Verteidigung der eigenen inhaltlichen Position und um die gleichzeitige Abgrenzung zur Gewalt", stimmte Lewandoswsky zu.

Am Sonntag reiste eine 20-köpfige Delegation der Berliner Jungsozialisten (Jusos) zu einem internationalen Camp in Wien. "Die Stimmung insgesamt vor Ort ist sehr bedrückend", sagte der Landesvorsitzender Christian Berg. Auch er fordert ein verstärktes Vorgehen gegen die rechtspopulistischen Strömungen: "Genau dieser Hass hat zu dem Massaker geführt."

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4 Kommentare

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  • L
    Leser

    "indem sie den Attentäter Breivik als ein Opfer der multikulturellen Gesellschaft darstellten, erklärte Tervooren."

     

    Würde ich mal gern sehen, wo das bei den Parteien steht oder in einem der rechten Blogs. Hab gesucht und leider nix gefunden. Die Kommentare zu irgendwelchen Artikeln las ich natürlich nicht. Da kann ja jeder, was auch immer hinschreiben.

  • A
    Antifaschist

    Wen Ihr hier alles so als "Experten" für Rechtsextremismus zitiert...

     

    wenn ausgerechnet ein Herrn Tervooren von der VVN - BdA, einer vom Verfassungsschutz beobachteten linksextremen Organisation im schmuddeligen Umfeld der orthodox-kommunistischen DKP, von "schwarz-braunen Milieu (West-)Berlins" faselt, da kann man nur noch grinsen.

     

    VVN - BdA ... das hört sich nach dem Beelzebub an, mit dem man den Teufel austreiben möchte!

  • MK
    Mario Kischkies

    Was ist eigentlich "Links" und "Rechts"?

    Wenn die SPD die hälfte ihrer ehemaligen Wähler,vergrault und vertrieben hat;sind das jetzt

    die Populisten von Rechts?Rechts der Gesellschaft

    oder nur der rechte Flügel der SPD?

    Wenn die CDU in Berlin,seit Jahren schwächelt und

    Wähler verliert,es besser macht,als SPD mit Sarrazin, dann einen Hinterbänkler aus den eigenen Reihen nimmt

    ihn zum Populisten erklärt,ein paar Euro in die Hand

    drückt und dann beauftragt;Konservative Wähler wieder

    ein zu sammeln,dann nach Hause zurück und Koalitionspartner spielen.

    Spd du hast einen populistischen Genossen in deiner

    eigenen Mitte,auch schon e-mail von Breivik bekommen?

    OH-OH!

    Die Linke,für die immer alles rechts von ihr,"das Böse"per se´war;Kapitalisten,Zionisten,Faschisten,

    einfach alles von Rechts von "Dir".Liebe Linke,

    du weißt schon mit wem du gerade in Berlin im

    "Bündnisbett von Rechts" liegst?Nein?Frag doch mal

    deine EX-Bündnispartner wie z.B. DKP Queer!Da wirst

    du nämlich als Verräterin gehandelt!Erst der Schnitzer mit der Antisemetismus Debatte und nun

    mit dem gemeinsamen Feind,den"Kapitalistischen Faschisten" im selben Bündnisbett?Liebe Linke,auch

    du hast längst an gefangen,zu Erosieren!

    Ach ja,das Bündnisbett nenne ich immer Spaßeshalber

    "Lotterbett-Einheitspartei-der diesmal wirklich,wirklich wahren Demokraten und Verfassungs-

    schützer"!Aber wo bitte ist jetzt das Volk.

    Wohl alle schon ein wenig zu viel "Breivik" gelesen!?

    Liebe ehemals "wirklich" unabhängige Taz Redaktion.

    Mein Tip.Breivik ist der Täter.Richtig?Ja,das habt

    ihr gut ge-Guttenberg-t!Und jetzt zur Recherche.

    Strippenzieher,klar.Sau Doofe Avatar Rechtsblogger,

    noch blöder wie Breivik?Nö,glaub ich nicht.

    Ich überleg mal...........Aktuelles Weltgeschehen,Oslo,Norwegen,Euro,Amerika,Israel,Palestina.........hmmm,gar nicht so einfach.Also noch mal:

    Oslo 22.07.2011,also mir fällt nur ein;Welt-

    geschehen und 22.07.1946.

    Na Taz,wollen wir mal,wie in alten Zeiten?

    Objektiv,Beide Augen auf!Heikel?Ja! Fingerspitzengefühl?

    Ja!Feige?Nie!!Und jetzt habe ich ,kleiner einfacher

    Mensch,genug gesagt!

  • E
    Experten?

    "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes":

     

    Der Verfassungsschutzbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz beschrieb die VVN-BdA als „linksextremistisch beeinflusst“ und als „Organisation im Umfeld der DKP“. Es stellte fest,

     

    dass „Mitglieder und ehemalige Mitglieder der DKP sowie traditionalistisch eingestellte Mitglieder der ‚Linkspartei.PDS‘ die wichtigsten Leitungspositionen“ besetzen;

    dass der Verband „daher dominant dem orthodox-kommunistischen ‚Antifaschismus‘ verpflichtet blieb, wonach Rechtsextremismus im inneren Zusammenhang mit marktwirtschaftlichen Ordnungssystemen steht und daher staatliche Institutionen in westlichen Demokratien rechtsextremistische Umtriebe eher unterstützten als bekämpften“;

    dass in dieser Sichtweise „eine sozialistisch/kommunistische Diktatur die einzig konsequente Alternative zu ‚faschistischen‘ Gefahren“ sei.

     

    Das sind also die "Experten". Experten für was muß man sich da fragen. Die Millionen Toten solches Expertentums findet man leider nur in Geschichtsbüchern, nicht mehr in den alten Medien.

     

    In Sachen Propaganda kann man auch in der taz bestimmt noch etwas von ihnen lernen. Lektion 1: Man gebe sich einen wohlklingenden Namen.

     

    Echt blöd diese neuen Medien, da gibts Informationen die nicht passen.