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■ Wahldebakel in NRW: Die Grünen haben ein Profil-, kein VermittlungsproblemAlles Papier von gestern

betr.: „Grüne über Verluste froh“, „Grüne: mit Clement brechen?“, „Möllemann ist drin (fdp rasant: ein leichnam wird aufgetaut)“, taz vom 15. / 16. 5. 00

Handelt es sich um einen Druckfehler oder um politische Blödheit? Die grüne NRW-Spitzenkandidatin und Noch-Ministerin Bärbel Höhn soll doch tatsächlich gesagt haben: „Die niedrige Wahlbeteiligung nütze immer der Opposition, sei aber andererseits ein Zeichen dafür, dass die Leute zufrieden seien.“

Auch wenn heute von so genannten Wahlforschern ähnliche „Analysen“ zu lesen sind, zeigen diese Aussagen wieder einmal, wie wenig ernst die WählerInnen genommen werden. Könnte es nicht schlicht und einfach sein, dass diese nämlich die Nase voll haben von der Ignoranz und der Verarscherei durch alle im Landtag vertretenen Parteien? Kann es nicht sein, dass gerade ein Teil der grünen Wahlklientel nicht mehr weiß, welches kleinste Übel er noch wählen sollte und deshalb nicht zur Wahl gegangen ist?

Aber nein, von der grünen Landessprecherin Barbara Steffens, die wie Bärbel Höhn zu einem nur schwer erkennbaren „linken Flügel“ gerechnet wird, werden grüne Schwächen und Wahlverluste „vor allem auf Fehler in der Vermittlung zurückgeführt“. Meint sie wirklich, die Wähler und Wählerinnen erkennen nicht, welche Politik die rot-grüne Regierung in den letzten fünf Jahren gemacht hat? Vielleicht liegt darin der Grund für Wahlboykott oder Wahlenthaltung! Schließlich gibt es eine ungeheuer große Kluft zwischen der grünen Programmatik (ja, so etwas existiert, und es gibt Leute, die sie für wichtig halten!) und der Regierungspolitik, ja sogar zwischen dieser und deren Grundlage, nämlich der rot-grünen Koalitionsvereinbarung.

Es hat den Anschein, als hätten nach deren Verabschiedung weder Regierungs- noch Fraktionsmitglieder je wieder in diese Koalitionsvereinbarung hineingeschaut. Es gibt kein Politikfeld, zu dem nicht gesagt werden könnte: alles Papier von gestern, Schall zum Verschlucken, Rauch zum Vernebeln. Von daher war es konsequent, dass im Wahlkampf gar keine Inhalte mehr vertreten, sondern der Regierungserhalt als Selbstzweck propagiert wurde.

Wieso ich allerdings eine Partei wählen sollte, die sich entgegen eigenen Grundlagen und Vereinbarungen ohne große Proteste in allen Bereichen und Punkten letztendlich dem neoliberal-technokratischen Kurs der Clement-SPD unterordnet und dies im Grunde auch noch für zukunftsweisend für die eigene Neuordnung hält, ist mir schleierhaft. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für ignorante und selbstgefällige Politikprofis, die mich als Wählerin nur für blödes Stimmvieh halten, sehe ich allerdings nicht als meine Aufgabe. Leider wird auch diese Wahlniederlage, da stimme ich der Analyse von Micha Brumlik völlig zu, keine tiefergehende politische Analyse ergeben, keine neuen Überlegungen zum Vorschein bringen. Stattdessen wird mit so genannten Neustrukturierungen uralter liberaler Wein in neue Schläuche gepackt werden und die grüne Partei sich mit diesem Proviant bei der Jagd um die ominöse Neue Mitte verrennen. Denn da ist schon der Igel Möllemann – und zwar mit größerem Unterhaltungswert. MONIKA DOMKE, Köln

Ratschläge wie die von Tina Stadlmayer haben doch die Grünen erst in den Keller gebracht. Die Grünen haben ein Profilproblem; nichts ist wichtiger als neue Glaubwürdigkeit. Natürlich sollte nicht gekniffen werden, bevor es Koalitionsverhandlungen gibt, aber in die Verhandlungen muss mit einem Profil gegangen werden, das deutlich grün ist. Und wenn die Verhandlungen dann scheitern, dann soll man sie scheitern lassen. Die Kohlesubventionen, die höher sind als alle Arbeitslöhne, die durch den unnötigen und schädlichen Bergbau entstehen, müssen endlich verschwinden, und es ist wunderbar, wenn nicht die Grünen das machen müssen, sondern die FDP es tut. Ebenso ist es prima, wenn Clement durch Möllemann die Schau gestohlen wird.

Vorhang auf! Die Grünen schärfen derweil ihr Profil in der Opposition und gehen gestärkt in die nächste Wahl.

P.S.: Es ist immer wieder großartig, wie genau Manfred Kriener die Lage der Grünen erfasst. KLAUS GÄRTNER, Hamburg

Wer hätte das diesem Politschwadroneur zugetraut. Fast zehn Prozent für Jürgen Möllemann. [...]

Aber wenn ich bedenke, unter welchen Schmerzen ich selbst noch einmal grün gewählt habe anstatt in der Sonne liegen zu bleiben, kann ich die Sache nachvollziehen. Für die kritischen Protest- und Wechselwähler unter den FDP-Stimmen – egal welchen Alters – waren beide Großparteien in NRW unwählbar und die Stimme an PDS oder REPs auf Grund der Fünfprozent-Klausel klar verschenkt. Für den Rest haben die Grünen , insbesondere bei den jungen Wählern, selbst gesorgt. Was sie zuerst in der Regierung und dann – und das völlig unnötig – auch noch im Wahlkampf vollzogen, hat in Fachkreisen einen äußerst treffenden Namen: Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Wer sich schon beim Kampf um die Macht so an den Koalitionspartner anpasst wie die NRW-Grünen an die NRW-SPD, der muss sich nicht wundern, dass sich die Wähler fragen, wieso sie nicht gleich jemand anderes oder gar nicht wählen sollen.

Für so ein Harakiri-Konzept sind sie mit sieben Prozent sogar noch verdammt gut weggekommen. Womöglich noch zu gut. Denn statt wenigstens jetzt hart zu verhandeln und dabei notfalls die Opposition zu riskieren, werden sie wahrscheinlich noch mehr einknicken, nur um an der Regierung zu bleiben. Dabei begreifen sie nicht, dass Möllemann für die SPD keineswegs nur ein willkommenes Drohmittel gegen die Grünen ist. Er ist zugleich auch eine potentielle Last. Nicht nur für die derzeitige Bundesregierung und den sozialökologischen Flügel der Gesamt-SPD. Er ist es vielmehr für Clement selbst. Einen zweiten „Macher“ neben sich zu haben, der ihm womöglich immer wieder die Schau stiehlt, ist für einen Egomanen wie Clement weitaus ärgerlicher als manch inhaltlich-politischer Kompromiss. ARNOLD VOSS, Herne

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