■ Wahl von PDS-Bürgermeistern?: Demokratie-Nachhilfe
Die Innenverwaltung, der Pflege demokratischer Grundrechte in besonderer Weise zugetan, ist immer wieder für Überraschungen gut. Diesmal geht es um die anstehende Wahl der Bezirksbürgermeister. Weil die PDS in neun Ost-Bezirken leider die stärkste Fraktion stellt, gibt sich die Innenverwaltung große Mühe, dem Wählerwillen gerecht zu werden. Mit der Zählgemeinschaft mehrerer Parteien, auf die man nach den Kommunalwahlen 1992 verfiel, um PDS-Bürgermeister zu verhindern, ist es diesmal nicht getan. Allein die Zählgemeinschaften sollen Kandidaten aufstellen dürfen. Es kommt noch besser: Auch wenn der Kandidat der Zählgemeinschaft bei der Abstimmung durchfällt, darf nur die Zählgemeinschaft einen neuen Kandidaten aufstellen. Eine Gegenkandidatur ist nicht zulässig, teilt die Innenverwaltung mit. Das ist wahre Demokratie, von der die autoritäre PDS sich ein gehöriges Stück abschneiden kann!
Daß es Zählgemeinschaften mehrerer Parteien auf Bezirksebene gibt, Koalitionen also, wäre nicht zu beanstanden. Diese „politischen Bezirksämter“ anstelle der nach Stimmenproporz verteilten Stadtratsposten aber sind insbesondere von der CDU abgelehnt worden. Unerträglich ist aber, wenn diese Zählgemeinschaften mißbraucht werden, um die PDS abzublocken. Unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit bleibt ein solches Vorgehen politisch und für das Vertrauen der Menschen verheerend.
Die Grünen haben darauf hingewiesen, daß gegen Zählgemeinschaften nichts einzuwenden ist. Ansonsten aber werde man eine Zustimmung von den konkreten PDS-Kandidaten abhängig machen. Die SPD, die nach ihrer schweren Wahlniederlage angefangen hat, über ein realistisches Verhältnis zur PDS nachzudenken, könnte dieses Nachdenken als überflüssig einstellen, wenn die Sozialdemokraten auf Bezirksebene ohne Wenn und Aber bei solch üblen Mauscheleien mitmachten. Der angebliche Konsens der Demokraten, mit dem die CDU hier hausieren geht, um die SPD zum Mitmachen zu bewegen, ist mehr als durchsichtig. Die CDU-Strategen wissen zu genau, daß bei der nächsten Wahl solch Verhalten vor allem den Sozialdemokraten verübelt würde. Nach einer verlorenen Wahl im Osten gleich die Grundlage für die nächste Schlappe zu legen, so dumm sollte nicht einmal die SPD sein. Gerd Nowakowski
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