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Wahl in der TürkeiÜberraschungssieger Kurden

Trotz Behinderungen durch Polizei und Justiz: 36 kurdische Abgeordnete haben es ins türkische Parlament geschafft. 16 mehr als beim letzten Mal.

Leila Zanas Wahlkampf - hier im Mai vor Anhängern - hat sich ausgezahlt: Sie ist zurück im Parlament. Bild: ap

ISTANBUL taz | Leila Zana ist zurück. Fast 20 Jahre nachdem sie als Abgeordnete im Parlament verhaftet und als vermeintliche Unterstützerin der PKK direkt ins Gefängnis verfrachtet wurde, ist sie nun erneut ins Parlament gewählt worden. Für die jungen Leute fast schon eine Legende, ist Zana ein gutes Beispiel dafür, wie sehr sich die Situation im Vergleich zu damals verändert hat. Leila Zana war damals zusammen mit drei anderen kurdischen Abgeordneten auf der Liste der damaligen Sozialdemokraten ins Parlament gewählt worden. Einige wenige Worte Kurdisch im Parlament reichten aus, um den Staatsanwalt auf den Plan zu rufen.

Heute können kurdische Kandidaten in ihrer Muttersprache Wahlkampf machen, es gibt ein offizielles und ein illegales kurdisches Fernsehprogramm, und in Diyarbakir plärrt aus jedem Lautsprecher kurdische Musik. Um die Zehnprozenthürde zu umgehen, kandidieren sie als Unabhängige und konstituieren sich anschließend im Parlament als eigene Fraktion. Bei den Wahlen am Sonntag haben die Kurden es trotz Behinderungen durch Polizei und Justiz geschafft, 36 Abgeordnete ins Parlament zu bringen, 16 mehr als bei den letzten Wahlen.

Auf diese Abgeordneten kommt eine entscheidende Rolle zu. Sie müssen es schaffen, bei der Debatte um eine neue Verfassung den ethnischen Minderheiten mehr Rechte zu verschaffen und damit die Grundlage für eine politische Lösung zu legen, die den bewaffneten Kampf der PKK endlich beendet. Die Kurden haben ihre Kandidaten auf Grundlage eines breiten Bündnisses ausgewählt,unter ihnen Konservative, die nicht zur BDP gehören, und türkische Linke, die das Bündnis aus der ethnischen Ecke holen sollen.

Abdullah Öcalan, der inhaftierte Chef der PKK, hat schon vor den Wahlen angekündigt, dass er vom Staat bis zum 15. Juni ein Angebot erwartet, andernfalls würde der Waffenstillstand der PKK beendet. So schnell wird es sicher nicht gehen, doch die kurdischen Abgeordneten gehen mit der erklärten Absicht ins Parlament, im Namen der kurdischen Minderheit Verhandlungen mit der Regierung zu führen.

Erdogan hat die kurdischen Politiker im Wahlkampf scharf angegriffen und mehrmals pauschal als Terroristen bezeichnet. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob Erdogan zu einer konstruktiven Politik den Kurden gegenüber zurückfindet, so wie er es vor zwei Jahren schon einmal versucht hat.

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9 Kommentare

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  • Y
    YELLOW

    Den EU Beitritt der Türkei wird bald keiner mehr diskutieren. Nach dem Bankrott des grieschichen Nachbarn ist die EU wegen der chronischen Unwilligkeit ohnehin für die meissten Türken keine gute Alternative mehr. Die Türken müssen das leben miteinander SELBST erlernen ohne die Vormundschaft irgendwelcher EU staaten. Die Demokratie so wie Sie im westen funktioniert kann nicht ohne weiteres in alle Lander der Welt 1:1 übertragen werden. Eine parlementarische Lösung der Probleme sollten alle Volksgruppen in der Türkei anstreben aber die Elite hat es in der Vergangenheit vorgezogen mit den Waffen nachzuhelfen ABER genauso auch die PKK mit der Waffe in der Hand immer noch Drohungen ausruft.

    Parlementarische Lösungen JA aber irgendwelchen Autonomiebestrebungen nachgeben ist nichts weiter als weiteren bewaffneten Kampf unter etnischen und religiosen Gruppen. - Wenn die Landesobhut in diesen regionen fallt wird Big Brother doch hier auch eingreifen und alles "Befrieden" ... İst das die westliche Lösung ??!

  • I
    iBot

    "auch der zurückgebliebene unbrauchbare Islam wird ein Beitritt noch lange verhindern"

     

    Offensichtlich sind nicht alle EU-Bürger gar so fortschrittlich.

  • H
    Hewal

    Fast 3000 verhaftete kurdische Politiker

     

    1. Dieser "Sieg" ist teuer erkämpft worden. Fast 3000 kurdische Politiker wurden verhaftet, gedehmütigt und sitzen im Gefängnis.

    2. Von den gewählten 36 Kurden sitzen 4 immer noch im Gefängnis.

    3. Was wird Erdogan jetzt machen?

    4. Wie reagiert die PKK auf die Angriffe des türk. Militärs? Trotz Waffenstillstand sterben die Guerillas. Zwischenzeitlich mehr als 30.

    5. Wie haben die USA bzgl. Kurden entschieden?

    6. Was passiert mit den syrischen Kurden?

    Also kurzum Quo Vadis Türkiye?

  • S
    soso

    ......na toll wie "frei" diese menschen schon sind - sie dürfen sich in ihrer muttersprache unterhalten - also endlich die kriterien für den EU beitritt geschafft.....????

     

    grauenhaft was uns da vorgegaukelt wird !!

  • FK
    Fatma Karahan

    Die Schlagzeile ist nicht richtig gewählt.

    Es gab schon immer kurdische Politiker im Parlament.

    Auch Präsidenten. Durch diese Schlagzeile wird suggeriert als ob es nur an der Kurdische Herkunft läge.Probleme haben die Politiker die Der Pkk nahe

    stehen. Einige der Abgeordneten sind auch keine Kurden, wurden aber von der BDP unterstützt.

  • H
    Huss

    Das Ergebnis ist erfreulich, aber die Gesetze der Türkei sind ein Hauptproblem. Viele Kurden können gar nicht zurückkehren und müssten bei einer Rückkehr mit Extremstrafen nach sonderbaren Paragraphen rechnen.

     

    Und Erdogan hat bislang auch nur angekündigt. Noch heute stehen in den kurdischen Gebieten überall Soldaten, Panzer und Straßensperren. Wirklicher Frieden sieht anders aus, aber er hat einen Versuch unternommen und er wurde in Europa ignoriert.

     

    Wohl auch, weil Erdogan sonst echte Chancen für das Land entwickelt hätte, doch noch nach Brüssel zu kommen. Aber im Kern ist es gut, dass die Menschen im Osten wieder Parlamentarier haben, dass Erdogan Menschen an, mit denen er in einen Dialog eintreten kann.

     

    Und dann ist da auch die Vergangenheit: Seit 1980 wurden etliche Tausende Kurden verhaftet, gefoltert, unterdrückt, assimiliert und vertrieben. Für eine Gesundung der Türkei wäre hier ein ernsthafter Prozess der Aufarbeitung angesagt, bislang ist die Türkei aber ein Land, in dem dies 1. verboten ist und 2. nicht ratsam war und ist, gegen diese Ordnung vorzugehen. Daran konnte Erdogan bislang nicht viel ändern, mal sehen, ob er mit seiner Mehrheit, den kurdischen Abgeordneten und eventuell der CHP hier mehr zu Wege bringt.

  • AG
    Andreas Gindler

    Anhand der 10 % -Klausel (Kurden-Verhinderungs-Klausel) lässt sich ja schon ganz leicht erkennen, wie undemokratisch die Türkei auch heute noch ist...

    ...und sowas wollen die Grünen in die EU holen????

     

    Die Grünen hätten sich NIE in Deutschland etablieren können, wenn es hier uch eine 10% -Klausel gegeben hätte....

     

    Aufwachen, Herr Özdemir!

  • Z
    zombie1969

    Ein Beitritt der zurückgebliebenen TR zur EU wird aufgrund der desolaten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lage in der TR in den nächsten Jahren nicht möglich sein. Und auch der zurückgebliebene unbrauchbare Islam wird ein Beitritt noch lange verhindern. Schlecht für die zurückgebliebene TR, sehr gut für das fortschrittliche Europa und seine Bürger.

  • WG
    Woody Guthrie

    Finde die Frau Zana etwas dubios,sie hat sich bis heute nicht von der Gewalt losgesagt.Sie ist eine militante Kurdin,sie hängt es raus.Sie soll sich für das Zusammenleben der verschiedenen Kulturen stark machen und nicht ständig spalten.