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Wahl in Sachsen-Anhalt"Die SPD hat Angst vor uns"

Nirgends sind die Löhne niedriger, nirgends ist die Abwanderung höher als in Sachsen-Anhalt. Wulf Gallert, Landeschef der Linken, will das ändern.

Bart und glatt rasiert geht nicht zusammen – politisch wie modisch. Bild: dapd
Stefan Reinecke
Paul Wrusch
Interview von Stefan Reinecke und Paul Wrusch

taz: Herr Gallert, finden Sie es eigentlich schade, dass Sie nicht Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt werden?

Wulf Gallert: Das können Sie mich möglicherweise in einem Monat fragen. Bis dahin gehe ich davon aus, dass ich es werde.

Die SPD wird Sie nicht zum Ministerpräsident wählen.

… ja, bisher ist das so. Aber die Situation war 1994 ähnlich, und später gab es eine SPD-Regierung mit PDS-Tolerierung. Die SPD muss ihren Wählern erklären, dass sie inhaltlich Ähnliches fordert wie wir und zugleich eine Koalition mit uns faktisch ausschließt. Diese Erklärung wird ihr nicht gelingen.

Sie glauben, dass die SPD von ihrem Kurs noch abrückt?

Ich glaube, dass es noch eine interne Debatte in der SPD geben wird, ob man sich inhaltlich so stark an die CDU bindet und damit Dinge, die sie eigentlich versprochen hat, nicht umsetzt.

Warum wollen Sie Ministerpräsident werden? Das ist doch eher Mangelverwaltung.

Natürlich wird es viele Probleme geben, aber wir sind keine Partei, die kneift, wenn es schwierig wird. Man hat als Ministerpräsident Gestaltungsmöglichkeiten. Das ist keine todtraurige Aufgabe.

Das Land hat 20 Milliarden Euro Schulden, bei einem Etat von 10 Milliarden im Jahr. Ist es da nicht mehr oder weniger egal, ob CDU, SPD oder Linkspartei regieren?

Ausdrücklich nein. Gerade wenn die Mittel knapp sind, muss man die Frage nach den Prioritäten stellen. Sehen Sie sich nur an, für was in den letzten Jahren bei uns Geld rausgeschmissen wurde. Für sinnlose Infrastrukturprojekte, die typische Spaßbadförderung. Das war falsch. Außerdem ist Sachsen-Anhalt zu dem Niedriglohnland im Osten geworden. Das wollen wir ändern.

WULF GALLERT

47, Chef der Linken in Sachsen-Anhalt. 1994 handelte er mit SPD-Mann Bullerjahn das "Magdeburger Modell" aus, die PDS-Tolerierung des SPD-Ministerpräsidenten.

Und das können Sie als Ministerpräsident?

Ja, man kann mit Fördermittellenkung und über die öffentliche Auftragsvergabe entgegenwirken. Aber auch mit höherem Druck hin zu einer entsprechenden Tarifpolitik.

Wie wichtig ist Ihnen ein schuldenfreier Haushalt?

Das ist eine Priorität, aber nicht die einzige …

im Unterschied zur SPD.

Ja, deren Spitzenkandidat Jens Bullerjahn will offenbar nur zuallererst sparen. Ansonsten sind SPD und Linkspartei programmatisch, etwa bei der Arbeits- und Bildungspolitik, ähnlich ausgerichtet.

Verstehen Sie eigentlich, warum die SPD Sie nicht zum Ministerpräsidenten wählen will?

Ich registriere, dass die SPD Angst hat, im Osten von uns marginalisiert zu werden, sollte sie Koalitionen mit uns eingehen. Ob diese Angst berechtigt ist, muss sie selbst entscheiden. Ich entschuldige mich nicht dafür, dass wir bei der letzten Wahl besser waren.

Schließen Sie Stellenabbau im öffentlichen Dienst aus?

Nein, und das steht auch nicht in unserem Wahlprogramm …

Im Entwurf für das Grundsatzprogramm der Linkspartei wird aber genau das ausgeschlossen.

Eine solche Garantie kann in Sachsen-Anhalt keiner geben. Dafür ist das Geld zu knapp, wir müssen auf den Rückgang der Bevölkerungszahlen reagieren. In manchen Bereichen fehlt auch geeigneter Nachwuchs.

Bei der letzten Landtagswahl in Sachsen-Anhalt haben nur 44 Prozent gewählt - so wenig wie noch nie bei einer Landtagswahl in der Bundesrepublik. Wie erklären Sie sich dieses Desinteresse?

Wenn man harte Kriterien anlegt, gibt es keine einzige Volkspartei in Sachsen-Anhalt. Etwa ein Prozent der erwachsenen Bevölkerung ist Parteimitglied. Die demokratischen Strukturen sind hier nicht so etabliert wie anderswo. Sinkende Wahlbeteiligung gibt es aber nicht nur hier. Das ist die Antwort auf die Entpolitisierung der Entscheidungsprozesse. Wenn alles privatisiert ist, brauchen die Politiker sich nicht zu wundern, dass die Leute nicht wählen gehen.

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4 Kommentare

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  • KW
    Kurt W. Fleming

    An FAXENDICKE: du redest wie ein Stammtischler, nicht mal aus dem Bauch heraus, sondern aus einer weit tieferen Region.

     

    Natürlich ist der Frust im Osten hoch, auch in Sachsen-Anhalt. Aber dafür gibt es plausible Gründe, die Gallert angedeutet hat.

    Daß die Linken nicht von sich behaupten, ein Patentrezept zu haben, müßte auch dem FAXENDICKE aufgefallen sein. Und genau das behauptet Gallert auch nicht.

    Fakt ist, daß er als Linker die Prioritäten eben anders setzen möchte, als das bisher von den anderen Parteien getan wurde.

    Ob Gallert aber MP wird, hängt davon ab, daß

    1) die Linke mehr Zustimmung bekommt als sie selbst erwartet,

    2) daß CDU und SPD nicht soviel zusammen an Stimmen bekommen, daß deren Verwaltungs-Koalition nicht mehr fortgesetzt werden kann, selbst wenn es die FDP ins Parlament schaffen sollte, was ich aber nicht gönne,

    3) daß es die Nazis und die FDP nicht ins Parlament schaffen.

    Was die Grünen in Sachsen-Anhalt betrifft, kann ich nicht einschätzen.

  • PA
    Peter Adam

    Seit bestehen der Bundesrepublik, und erst Recht nach der Wiedervereinigung haben die etablierten Parteien des ehemaligen Westens, nichts aber auch garnichts zustande gebracht, ausser die Armut in Gesamt-Deutschland auf ein neues Allzeit-Hoch zu treiben.

    Das ausgerechnet die Verräter der Arbeiterklasse (SPD)nun gegen die Linke auf die Barrikaden gehen, ist Heuchelei und einer "Volkspartei" unwürdig. Gas-Gerd haben die Genossen damals bei der Demontage des Sozialstaates freie Hand gelassen, niemand ist gegen die Schweinereien von damals in der SPD aufgestanden, aber jetzt den Linken einen Versuch verwehren wollen, nur weil man selbst nicht auf dem besten Platz am Futtertrog stehen könnte, ist schäbig.

    Die etablierten Parteien des Westens hatten ausreichend Zeit sich um die Belange des Volkes zu kümmern, und haben kläglich versagt. Nun ist es Zeit einer neuen politischen Kraft die Verantwortung zu übertragen. Vielleicht hat diese genau die Ideen, an denen es der SPD, den Grünen und den Konservativen mangelt.

    Und dauernd mit der SED-Keule zu wedeln bringt mittlerweile auch nichts, denn betrachtet man die Geschichte der politischen Parteien hier im Westen, dann muss man feststellen das eben die CDU an vorderster Front eine Vereinigung von alten Wehrmachts-und NS-Kadern war, bzw. Ihre Ursprünge daher hat.

  • JD
    Jon Do

    Also meine Stimme hat er,da er es auf den Punkt bringt mit dem Niedriglohn in Sachsen-Anhalt.

  • F
    FAXENDICKE

    Bei 44% Wahlbeteiligung ist es doch egal wer gewählt wird, denn die absolute Mehrheit will ja offensichtlich niemanden von diesen gekauften Heuchlern.