Wahl in Bayern: Der Sozi im Rathaus von Bodenmais
Michael Adam ist 23 Jahre alt, SPD-Mitglied, evangelisch und schwul - und Bürgermeister eines bayerischen Dorfes. Was dort möglich war, ginge auch in ganz Bayern, sagt er.
Vor acht Uhr in der Früh ist Michael Adam am Schreibtisch gesessen. Das ist spät für seine Verhältnisse, praktisch Luxus, aber am Abend hat er erst um 23 Uhr das Bürgermeisteramt zugesperrt. Seine Augen sind verquollen, und er sagt, dass er sich vor der Arbeit zum Waldlauf zwingt. "Sonst seh ich bald so aus wie der Franz Josef Strauß."
Dass einem Bayern-Sozi das Schicksal des fleischigen CSU-Kolosses droht, ist wunderlich. Aber es ist auch ungewöhnlich, dass einer tief in Bayern regiert, obwohl er das ist, was man in der Politik des Freistaats nicht sein darf: dreiundzwanzig, evangelisch, schwul. So einer muss wissen, warum sich die Bayern so anstellen, mal etwas anderes zu wählen als CSU, und vor allem: was zusammenkommen muss, dass sie es doch tun.
Bodenmais, 3.400 Einwohner, liegt im Bayerischen Wald. Früher wurde hier Silber aus dem Berg gehauen, aber nach und nach stellte der Ort auf Tourismus um. Die Wähler stellten von SPD auf CSU um, die seither locker 60 Prozent holte. Der CSU-Bürgermeister war 18 Jahre im Amt. Bis Michael Adam kam.
Mit der CSU, sagt Adam, ist es so, dass sie erst was leistet. Dann wird sie schlechter als ihr Ruf, aber bis der sie einholt, sind die Verantwortlichen ausgewechselt. Seine Chance war nun, dass die CSU das Auswechseln in Bodenmais vergessen hat. Wenn Michael Adam vom Wahlkampf erzählt, verbreitet er nicht dieses Kämpferische der Bayern-SPD, das ein wenig waidwund wirkt. Er spricht ruhig. "Meine Konkurrenten kamen in meinem Wahlkampf nicht vor. Ich habe gesagt, was ich vorhabe." Ein paar seien rumgegangen, um zu tratschen, dass er schwul ist, aber er habe das nie geheim gehalten, genau wie er auch jetzt mit seinem Freund durch den Ort geht. Dass er so jung ist, schadete ihm auch nicht. Viele kannten ihn ja. Adam ist fast überall Mitglied, Waldverein, Sportverein, sogar Königstreu Weißblau e. V.
Nach der Wahl fand er so viele Rechnungen im Rathaus, dass das Girokonto schnell mit 2,8 Millionen überzogen war, obwohl die Grenze bei 2,7 Millionen liegt. "Der Ordnungsgang der Geschäfte ist nicht gewährleistet", las er in einem grauslichen Prüfbericht über die Lage im Rathaus. "Das heißt auf Deutsch: Lass ne Planierraupe drüber fahren und baus wieder auf." So einfach hat er es natürlich nicht, deswegen musste Adam Steuern erhöhen. Dafür boomt die neue Tourismus GmbH der Gemeinde.
Man kann sich jetzt fast Franz Maget vorstellen, den SPD-Spitzenkandidaten. Wie er nach einem Wahlsieg in der Münchner Staatskanzlei sitzt und stöhnt, dass er auf Altlasten der CSU stoße, aber sagt, dass es trotzdem Spaß macht. Aber es sitzt eben doch Michael Adam vor einem und redet mit verblüffender Natürlichkeit über seine Aufräumaktion, die man sich bei den Münchner Parteifreunden so schwer vorstellen kann.
Im Rathaussekretariat stehen schon zwei Wahlurnen, gerade holt ein Ruheständler die Briefwahlzettel ab. "Es ist etwas passiert in Bodenmais, das der CSU auch passieren kann." Adam ist clever, er legt sich nicht fest, dass es schon am Sonntag so weit sein muss. Er beschreibt ein anderes Szenario. Die CSU braucht einen Koalitionspartner und der kann dann in die Bücher schauen, auf das Girokonto und die Prüfberichte. "Da haben die panische Angst davor", sagt er fröhlich.
Vielleicht wünscht sich die CSU dann eine Planierraupe. Aber so einfach wird sie es nicht haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!