Waffenverbot in Kiel: Ohne Knüppel in die Kneipe
Rund um die Kieler Disco-Meile Bergstraße gilt ab Freitag ein Waffenverbot. Die Polizei darf dort ohne konkreten Verdacht durchsuchen.
HAMBURG taz | Die Diskotheken und Kneipen an der Kieler Bergstraße sind bis weit ins ländliche Umland hinein bekannt. Manche Gäste fahren 40 Kilometer zum Feiern hierher, in Läden die etwa Tucholsky oder Luna heißen – oder in den Irish Pub. Doch trotz dieser Sogwirkung ist die Gegend nicht der Stolz der Stadtpolitiker: Denn in der Bergstraße gibt es auffällig viele Schlägereien. Rund 270 Körperverletzungen hat die Polizei hier im vergangenen Jahr aufgenommen – 111 davon galten als schwer, weil sie zum Beispiel lebensgefährliche Verletzungen zur Folge hatten. Um dieses Problem einzudämmen, hat die Stadt Kiel jetzt eine Waffenverbotszone eingerichtet. Innenminister Andreas Breitner (SPD) hat die entsprechende Verordnung am Montag genehmigt, ab Freitag gilt sie.
Ab dann darf um die Bergstraße herum niemand zwischen 21 und 6 Uhr Waffen und waffenähnliche Gegenstände mit sich tragen darf. Verstöße kosten bis zu 10.000 Euro. Um das Verbot durchzusetzen, hat die Polizei das Recht, ohne konkreten Verdacht Personen nach Waffen zu durchsuchen. Ausgenommen von den neuen Regeln sind unter bestimmten Bedingungen private Sicherheitsdienste, Handwerker, Gastronomen und Anwohner. „Kein vernünftiger Mensch kann dagegen etwas haben, wenn Städte in bestimmten Bezirken aufgrund konkreter Tatsachen Waffen und waffenähnliche Gegenstände verbieten“, sagt Breitner bei der Bekanntgabe der Genehmigung.
Für die Bergstraße war auch eine Sperrstunde im Gespräch. Die Gastronomen waren davon wenig begeistert, auch in der Stadtpolitik gab es – anders als beim Waffenverbot – viel Kritik an der Idee. Seit die Wirte mit der Stadtverwaltung und der Polizei an einem abgestimmten Sicherheitskonzept für die Kneipen und Discos der Gegend arbeiten, ist die Sperrstunde erstmal vom Tisch. Es gab auch den Vorschlag, ein Glasflaschenverbot einzuführen. Doch das wird in einem Papier des Bürger und Ordnungsamtes inzwischen „als derzeit nicht erforderlich“ bewertet. Die Gründe: Ein neuer Glascontainer und mehr Engagement der Wirte gegen Scherben.
Was man in der Kieler Bergstraße ab freitagnachts nicht bei sich haben darf:
Schusswaffen
Hieb- und Stichwaffen: z.B. Äxte, Schwerter
Messer
Schraubendreher
Hämmer und andere metallenen oder scharfkantigen Werkzeuge
Knüppel
Holzstiele
Baseballschläger
Handschuhe mit harten Füllungen
Reizstoffe
Doch wie kann ein Waffenverbot gegen Körperverletzungen helfen, die vor allem Schlägereien sind? Bei „Nahezu der Hälfte aller schweren Körperverletzungen“ im vierten Quartal 2012 seien gefährlichen Gegenständen verwendet worden, verbreiten Stadt und Innenministerium. Sie meinen: neun Fälle von 23.
Waffenverbotszonen können Städte in Schleswig-Holstein seit Anfang des Jahres einrichten. Bisher hat keine andere Kommune im Land angekündigt, dieses neue Recht nutzen zu wollen. Die erste Waffenverbotszone Deutschlands gibt es seit 2007 auf der Hamburger Reeperbahn. In Bremen sind Waffen im Bahnhofsviertel verboten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr