■ Waffenhandel: Tölpelhafter „MIG 25“-Deal
„Bei 650.000 Dollar Provision findet man doch schon mal ein Minütchen der Unterhaltung.“ Amtsrichter Henning Haage vermag den Unschuldsbeteuerungen des Kaufmanns Harry R. keinen Glauben schenken. Der 59jährige gibt an, nur aus Unwissenheit in einen 6,7-Millionen- Dollar-Deal um acht sowjetische Kampfflugzeuge der Marke „MIG 25“ geschlittert zu sein. Und so richtig verhandelt habe er mit seinen Geschäftspartnern auch nie.
Harry R., der nach einer gescheiterten Kaufmannskarriere seit 1989 im Bezirksamt Eimsbüttel als Betreuer für Langzeitarbeitslose arbeitete, verhökerte in seiner Freizeit Waren in alle Welt. In diesem Zusammenhang lernte Harry R. den inzwischen verstorbenen Lübecker Kaufmann Heinz B. kennen, der ihm zunächst Jeans und fabrikneue Schuhe zum Deal nach Übersee angeboten hatte. Im Frühjahr 1992, so R., habe B. ihm „überraschend“ acht alte „MIG 25“ zur Vermittlung angetragen. R: „Ich habe gefragt, ob das Probleme mit dem Außenhandels- und Wirtschaftsgesetz geben könnte.“ Doch sein Geschäftspartner, der ihm 650.000 Dollar für die Vermittlung zahlen wollte, habe ihn beruhigt. „Das ist alles in Ordnung. Die MIGs gehen ja direkt von Rußland in den Export.“ An einen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz habe er niemals gedacht. R.: „Das ist mir wirklich nicht bewußt gewesen.“
Als sich dann im Sommer 1992 ein PC-Geschäft mit dem Finanzministerium von Nigeria anbahnte, habe er die Geschäftskontakte genutzt, um den Afrikanern, die ja bereits über eine MIG-Flotte verfügten, die Maschinen anzubieten. Bei seinen Besuchen in Lagos habe er das Thema allerdings niemals angesprochen, beteuerte R.: „Das lief alles über Telefon und Fax.“ Aber die Nigerianer hätten an den Kampfflugzeugen kein Interesse gezeigt. „Man wollte keine zusätzlichen MIGs haben, weil alle MIGs am Boden flugunfähig waren.“ Später habe er sich nicht mehr um den MIG-Verkauf gekümmert.
Aufmerksam geworden ist die Staatsanwaltschaft auf R. im Rahmen von Telefonüberwachungen gegen einen mutmaßlichen Uran-Schmuggler. „Ein richtiger Waffenhändler sind Sie ja nicht“, so Richter Haage, dennoch: „Die Verabredung zu einer Straftat ist strafbar.“ Neun Monate auf Bewährung und 9.000 Mark Geldstrafe, so das Urteil. Haage zur Strafbemessungsvorschrift: „Wer eine Teewurst bei Aldi klaut, ist mit dem gleichen Strafmaß konfrontiert. “ Kai von Appen
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