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...Wäscht weißer als je zuvor

■ In den Supermärkten werden häufig Waren als „neu“ propagiert, wo im Grunde lediglich Verpackung und Menge verändert wurden/ Die Konkurrenz hat ein wachsames Auge

Düsseldorf (dpa) — Es wird immer alles besser: Das Waschmittel ist noch ergiebiger und sowieso umweltfreundlicher, der Schokoriegel süßer und gesünder zugleich, die Rasur sanfter denn je, der Kaffee so schonend und belebend wie noch nie. Solche Warenwunder müssen unter den 6.010 verschiedenen Artikeln, die nach der Statistik des Deutschen Handelsinstituts in den Regalen eines normalen Supermarktes stehen, doch irgendwie auffallen. Das Mittel dazu ist so alt wie das Gewerbe: „Neu“ prangt auf Flaschen, Tuben, Dosen und Kartons.

Doch das zugkräftige Wörtchen, das jedes Jahr in fast unüberschaubarer Zahl um die Hand der Hausfrauen anhält, wird nie offiziell auf seine Berechtigung kontrolliert. Darum kümmert sich nur die um ihre Marktanteile besorgte Konkurrenz.

Über manches „Neu“ schütteln daher die Verbraucherzentralen nur ärgerlich den Kopf. Oft würden nur absolute Nebensächlichkeiten bei einem Produkt verändert, schimpft Manfred Dimper von der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherzentralen (AGV) in Bonn. Nicht selten wird mit „Neu“ auch nur eine Preiserhöhung verdeckt. In die Flasche kommt zum Beispiel ein noch betörenderer Duft, dafür wird bei gleichem Preis der Inhalt etwas verringert.

Aus Sicht der Verbraucher werde die Anpreisung von Neuem oft mißbräulich benutzt, klagt Dimper. Doch der AGV sind weitgehend die Hände gebunden, denn irgendwie halten sich die Firmen meist an das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

Firmen kontrollieren sich gegenseitig

Dieses Gesetz ist der einzige Hebel gegen Narrenfreiheit bei „Neu“. Da mit falschen Produktaussagen nicht geworben werden darf, schauen sich die Unternehmen im Milliardenkampf um das Herz der Hausfrau argwöhnisch gegenseitig auf die Finger. So sind die Labors des Düsseldorfer Chemiekonzerns Henkel auch damit beschäftigt, nachzuprüfen, ob das Waschmittel des Konkurrenten wirklich den neuen Weißmacher enthält. „Bei uns wird konsequent geprüft“, erklärt Henkel-Produktmanager Rolf Schlue. Er ist sich sicher, daß bei den, wie er betont, sehr präzisen Analysen der Chemiker seines Hauses die Konkurrenz keine Chance hat, mit „Neu“ zu bewerben, was in Wirklichkeit ein alter Hut ist.

Wer sich auf das gewagte Spiel mit einem falschen „Neu“ eingelassen hat, dem droht von den Mitwerbern eine Klage. Auch Zeit spielt bei „Neu“ eine Rolle. Nur etwa drei Monate dürfe ein Produkt in der Regel mit diesem Aufdruck vertrieben werden, dann sei es schon wieder alt, berichtet Marcel Kisseler von der Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs in Bad Homburg. Ausnahmen gelten in erster Linie für Medikamente. Eine Tablette darf ein Jahr lang als neu gelten.

Die Verlockung, mit „Neu“ zu werben, ist groß. Da das Interesse der Käufer an den Waren insgesamt zurückgegangen sei, bedeute dieses Prädikat oft den einzigen Anreiz für die Augen, meint Dieter Franke vom Marktforschungsinstitut „Ires“ in Düsseldorf.

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