Wachstumsraten für den Tourismus: Flatrate im Krisenland
Es ist eine Hoffnung für die griechische Wirtschaft: In diesem Sommer kommen wieder mehr Touristen in das gebeutelte Land. Bringen sie auch Geld?
ATHEN taz | Ob das der Anfang vom Ende der Krise sein könnte? Griechische Tourismusexperten hoffen für diesen Sommer auf Wachstumsraten im zweistelligen Bereich. Die Flughäfen auf den Inseln Kreta, Rhodos und Mykonos melden bereits einen Besucherzuwachs von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, beim Verband griechischer Tourismusunternehmer hält man ein Einnahmeplus von 10 Prozent für realistisch. Damit zeigt sich zumindest in einem Wirtschaftssektor des hochverschuldeten Landes ein Hoffnungsstreif.
Neben der Schuldenkrise hat Griechenland mit einer Rezession zu kämpfen. 2010 sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 4,5 Prozent. Die EU-Kommission geht davon aus, dass es 2011 um weitere 3 Prozent schrumpft. Der Tourismus gehört neben der Schifffahrt und der Landwirtschaft zu den wichtigsten Bereichen der griechischen Ökonomie. Im vergangenen Jahr trug er rund 17 Prozent, knapp 40 Milliarden Euro, zum BIP bei.
Griechenland profitiert von der gestiegenen Nachfrage nach Urlaubsreisen in Europa und der Krise in Nordafrika. Zudem bemühen sich die Griechen, neue Märkte zu erschließen. Seit dem vergangenen Jahr werben sie gemeinsam mit den Türken um Urlauber aus China. Auch die politisch umstrittene Annäherung des Regierungschefs Giorgos Papandreou an Israel soll dem Land einen weiteren Zustrom an Touristen bescheren. Außerdem rechnet man auch in diesem Sommer mit hunderttausenden Besuchern aus dem Schwesterland Zypern sowie Stammgästen aus Westeuropa. Deutsche stellen seit vielen Jahren die größte Besuchergruppe in Hellas, gefolgt von Briten, Franzosen und Italienern.
Aus dem Rahmen fällt die Hauptstadt Athen: Nach den jüngsten Streikwellen und Ausschreitungen sind zahlreiche Gruppenreisen und Kongresse in der Innenstadt für diesen Sommer und auch für 2012 abgesagt worden. Allein in der ersten Juliwoche wurden über 8.000 Übernachtungen storniert.
Anders dagegen Thessaloniki, die zweitgrößte Stadt des Landes und Anlaufstelle für einen Badeurlaub im nahe gelegenen Naturparadies Chalkidiki: Bereits im Juli meldete die nordgriechische Metropole einen Besucherzuwachs von 20 Prozent. Das Rekordergebnis ist wohl auch auf den Einsatz des linken Bürgermeisters Jannis Boutaris zurückzuführen. Trotz heftiger Reaktionen aus konservativen Kreisen suchte Boutaris nämlich den Kontakt zu den Tourismusgrößen in Israel und in der Türkei, um die jüdische und osmanische Vergangenheit seiner Stadt hervorzuheben und daraus touristisches Kapital zu schlagen.
Die Frage lautet nun, ob mehr Besucher auch höhere Einnahmen bringen. Denn viele Touristen, insbesondere aus Nordeuropa, buchen billige All-inclusive-Reisen, die der griechischen Wirtschaft kaum helfen. Und der Konkurrenzkampf um die Preise ist tödlich, manchmal sogar im wörtlichen Sinne wie neulich auf der Insel Zakynthos: Im Ferienort Laganás wurde ein junger Brite von Taxifahrern erstochen, die sich durch sein Verhalten belästigt fühlten. Nach griechischen Medienberichten bieten Kneipenbesitzer in Laganás ausländischen Urlaubern Flatrate-Trinken an, wobei die Gäste oft nur gepanschten Alkohol aufgetischt bekommen. Diese Praxis wird von den Lokalbehörden toleriert - also ausgerechnet denjenigen, die sich über die Untätigkeit der Polizei beschweren, wenn es nach einem Trinkgelage zum Streit kommt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden