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Archiv-Artikel

WOLFGANG GAST LEUCHTEN DER MENSCHHEIT Der zweite Tod des Osama bin Laden

Nun noch das: Seymour Hersh, ein nicht unbekannter US-Journalist, wirft Präsident Barack Obama vor, im Zusammenhang mit dem Tod von Al-Qaida-Chef Osama bin Laden vor vier Jahren dreist gelogen zu haben. Wir erinnern uns: Die Bilder von Obama im Weißen Haus, auf denen er gemeinsam mit Außenministerin Hillary Clinton und seinem Sicherheitskabinett angespannt die Livebilder von der Ergreifung des Terrorfürsten durch ein geheimes Kommando der Navy-Seals im weit entfernten Abbotabat in Pakistan verfolgt. Dann die Erlösung: „EKIA“ – das Kürzel für Enemy Killed In Action.

Alles Lüge. Anders als die US-Administration verbreitet, hätten beim tödlichen Angriff am 2. Mai 2011 tatsächlich Pakistans Armee und Geheimdienst die Regie geführt. Das schreibt Hersh in einem Beitrag für den London Review of Books (http://bit.ly/1HaLA81).

Der Autor beruft sich im Wesentlichen auf einen namentlich nicht genannten US-Geheimdienstmitarbeiter und einen früheren ranghohen Mitarbeiter des pakistanischen Geheimdienstes – Wissen aus zweiter, wenn nicht dritter Hand.

Schwer verdaulich auch Hershs Version der Aktion mit Namen „Neptune’s Spear“. Danach soll der Drahtzieher der Anschläge vom 11. September zum Zeitpunkt seiner Ergreifung bereits seit fünf Jahren Gefangener des pakistanischen Geheimdienstes ISI gewesen sein. Hersh zufolge haben die USA einem pakistanischen Geheimdienstmitarbeiter 25 Millionen Dollar gezahlt, damit dieser den Aufenthaltsort des Gesuchten verrät.

Seymour Hersh ist nicht irgendein Journalist. Der Mann, Jahrgang 1937, ist geradezu die Ikone des investigativen Journalismus. 1969 wurde er weltbekannt, als er die Kriegsverbrechen der US-Armee im vietnamesischen My Lai aufdeckte. Dafür erhielt er 1970 den Pulitzer-Preis. Und nicht zuletzt war er ganz weit vorn, als 2004 der Folterskandal der US-Armee im irakischen Gefängnis von Abu-Ghraib bekannt wurde.

Gerade deshalb tut Hershs jüngste Enthüllung weh.

■ Der Autor ist Redakteur der taz Foto: privat