WOCHENÜBERSICHT: KUNST : Harald Fricke schaut sich in den Galerien von Berlin um
Immer wieder sind Witze darüber gemacht worden, wie genau moderne Kunst aussieht und was der normale Mensch so davon hält. Bei Don Martin in „Mad“ gibt es ein Comic, in dem ein Atelierbesucher voller Bewunderung klitzekleine Brocken vom Fußboden aufhebt, während der Künstler mit Baskenmütze und Franzosenspitzbart vor dem übrig gebliebenen Steinquader steht, das meterhohe Monstrum betrachtet und schließlich sagt: „Ich werde es ‚der Kuss des Mondes‘ nennen!“
Auch bei Tom Sachs verschiebt sich die Perspektive. Aus geschwind assoziierten Gedanken über die Angst vor immer mehr um sich greifenden Kontrollräumen hat der New Yorker Künstler für die Deutsche Guggenheim ein verschlungenes Environment gemacht, in dem McDonald’s, Autorennbahnen, DJ-Pulte und die Architektur von Le Corbusier eine wesentliche Rolle spielen. „Nutsy’s“ ist in der Tat eine abgedrehte Fantasie: Von Le Corbusiers „Unité“-Gebäude in Marseille inspiriert, wird der soziale Wohnungsbau bei Sachs in ein Allover aus „Produktion, Konsum, Zirkulation“ verwandelt.
Was in den Fünfzigerjahren eine Utopie für Leben und Arbeiten sein sollte, ist nun zum Themenpark für Rallye-Freaks mutiert: In der Modellstadt von Sachs kann man Autorennen fahren, mal geht es an Miniatur-Ghettos vorbei, die mit echten Maschinengewehren bewacht werden; mal kann man sich an einer Bar auch Hasch kaufen und bekifft weiterfahren durch Parkhäuser und eine gebastelte Replika von Le Corbusiers Villa Savoye. Das Ziel ist ein Drive-Inn, der Weg dorthin eine Parodie auf den international zum Wunschtraum erhobenen American Way of Life. Doch die Ironie im Kommentar auf die Billig-Urbanität der vereinheitlichten Welt verpufft schnell, dafür ist das von Sachs entworfene „Nutsy’s“ zu sehr Spielecke für Jungs.