WOCHENÜBERSICHT: BÜHNE : Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Nachdem uns die Volksbühne ein gutes Jahrzehnt lang mit funkelnden Utopieresten beglückte, die vom Untergang des real existierenden Sozialismus übrig geblieben waren, wird die Lage in der Dramaturgie jetzt offensichtlich als völlig hoffnungslos eingestuft. Vor einem Jahr hatte Christoph Marthaler versucht, in seiner Inszenierung „Die Zehn Gebote“ die verblühenden Landschaften um uns levantinisch zu verklären. Jetzt kommt die Religion direkt ins Spiel: „Wie kommuniziert man mit Gott?“, fragt der österreichische Dokumentarfilmer Ulrich Seidl („Hundstage“) in seiner ersten Arbeit für das Theater, der er den Titel „Vater unser“ gegeben hat. Die Presseabteilung des Theaters legt in einer Erklärung Wert auf die Feststellung, dass Seidl weder Ideologiekritiker noch interessiert an der Verkrampftheit und Bigotterie der Kirche ist. Auch bühnenbildmäßig wird das Ende einer Volksbühnen-Epoche angekündigt: Bert Neumanns Abschied vom Container. Andere Theater andere Sorgen, zum Beispiel jene, ob sich die Globalisierungsdebatte auf die Größe eines Sofas reduzieren lässt. Der italienische Dramatiker Fausto Paravidino meint eindeutig: „Ja!“ Wie das im Einzelnen aussieht, demonstriert er in seinem Stück „Peanuts“, wo er das an sich eher abstrakte Thema in die Niederungen einer Polstergruppe überträgt und an ein paar jungen Leute parabelartig im Privaten die Macht des Marktes sich mit Wucht entfalten lässt. Im Gorki Studio inszeniert das Bruno Cathomas, der zuletzt als Woyceck in Thomas Ostermeiers gleichnamiger Inszenierung in der Schaubühne zu sehen war. In der Schaubühne ist ab Freitag der neue Tanzabend von Constanza Macras zu sehen, „Back to the Present“, und im Stadtbad Oderberger Straße zeigt Gunda Aurich ihre Inszenierung von Lee Halls tragisch-respektlosem Stück „Spoonface Steinberg“.