WOCHENÜBERSICHT: BÜHNE : Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Wir haben es neulich im Spiegel gelesen. Mit 35 hat der Homo sapiens auf dem Arbeitsmarkt die Grenze seiner Vermittelbarkeit bereits erreicht. Wer es bis dahin nicht geschafft hat, im Hafen eines Dienstverhältnisses einigermaßen gefahrlos das Rentenalter anzusteuern, hat ein Problem. Man nehme Tom C. Könich, Held von Oliver Bukowskis bitterböser Beziehungskomödie „Stand by“, die genau jene Altersgruppe zwischen 30 und 40 ins Visier nimmt, die eben noch als Hoffnungsträger galt und plötzlich gesellschaftlicher Sondermüll ist. Könich jobbt sich durchs Leben, macht auf Bohemien und ist trotzdem ein Loser. Bukowski befasst sich in „Stand by“ mit Biografien in Zeiten wie den unseren, wo sich die Wirtschaft gesundschrumpft und ganze Generationen ausrangiert werden. Es inszeniert Michael Schweighöfer an den Kammerspielen des Deutschen Theaters. Zu unseren unübersichtlichen Zeiten gehört auch die Sehnsucht nach Feindbildern, wobei sich der westliche Intellektuelle in der feindbildlosen Toleranzrolle immer noch am besten gefällt. „Hotel Palestine“ heißt Falk Richters neue Folge seiner theatralischen Systemanalyse zu den Lebensbedingungen in diesen Zeiten. Besagtes Hotel dient den Kriegsberichterstattern in Bagdad als Unterkunft, und bei Richter kämpfen in der Schaubühne nun die letzen Journalisten mit den letzten Pressesprechern um die Wahrheit. Im Wüstensand ist die Orientierung verloren gegangen. Wer ist der Feind? Bloß Falk Richter weiß noch, wo es lang geht, steht auf dem Dach der Schaubühne, und ruft „Wir sind die Guten!“. Premiere ist am Sonntag. Einer ähnlichen Thematik hat sich das Tanztheater Rubato mit seinem neuen Stück „America! Question“ angenommen: multimediales Tanztheater, in dem es um die Frage geht, wie sich die amerikanische Gesellschaft seit dem 11. September verändert hat.