WOCHENÜBERSICHT: BÜHNE : Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Nur Banausen werden in Schrebergärten Spießerreservate sehen. Tatsächlich interessiert sich längst die Akademie der Künste dafür. Denn diese Inseln privater Glückseligkeit sind funktionierende Bollwerke gegen den Neoliberalismus, der nur noch gelten lässt, was cool, also markt- und stromlinienförmig ist. Welche Jahreszeit wäre besser als die gegenwärtige geeignet, eine theatrale Expedition in das Wesen des Kleingartens an sich zu unternehmen, seine Nutzer und Bewohner kennen zu lernen. Regisseur Roland Bus lädt mit der koproduzierenden Akademie der Künste in die Kleingartenanlage Bornholm nach Prenzlauer Berg zu „Parzelle Paradies – Laube, Liebe, Hoffnung“, einem Abend mit Kleingärtnern, Installationen und Musik. Früheren Generationen dachten beim Namen Dolly noch an die deftige Heiratsvermittlerin Dolly Levi aus dem Musical „Hello Dolly!“ Jüngeren fällt bloß das arme Klonschaf ein, das am Valentinstag des letzten Jahres sang- und klanglos verstorben ist. Doch Dolly kann vieles bedeuten, fand Choreograf Nir de Volff, der sich in seinem neuen Tanzabend „Dolly in the City“ auf die Suche nach den Träumen und Wünschen macht, denen dieser Name sonst noch Unterschlupf bietet. In losen Szenenfolgen wird es um unerfüllte Wünsche gehen, die auf Grund ihrer Unerreichbarkeit in surrealistische mediale Welten driften. Dass diese Welten durchaus einen Spaßfaktor besitzen, interessiert die Berliner Kabarett-Anstalt, die unter dem Titel „Clap Ya Hands“ ein Soul-Funk-Jazz-HipHop-Musical präsentiert. Weniger spaßig wird vermutlich die nächste Premiere in der Brotfabrik, die einen blutigen Krieg zum Thema hat: „Zatschistka/Säuberung. Das Tschetschenien-Protokoll“. Vier Kriegsteilnehmer harren in einem belagerten Dorf aus und reflektieren über den zweihundertjährigen Konflikt mit tödlichen Folgen.