WOCHENÜBERSICHT: BÜHNE : Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Der Blick auf die Spielpläne der Woche zeigt, dass unsere Bühnen nach wie vor den Drang verspüren, sich als moralische Anstalten unentbehrlich zu machen. Die Sophiensaele bieten ab Donnerstag mit „Alles muss man selber machen“ zwanzig Lektionen über die Globalisierung an. Die Globalisierung muss einfacher werden, wird augenzwinkernd gefordert. „Sonst sind am Ende alle dagegen.“ No? Logo! Das bat-Studiotheater der Schauspielschule Ernst Busch präsentiert ab Freitag mit Matthias Wittekindts „Klassenkampf 03“ den Versuch, nicht bloß den altehrwürdigen Klassenkampf, sondern auch das Theater als Sportfest zu begreifen. Nicht nur weil so auch die Moral irgendwie fitter wirkt. Hochmoralisch, wenn auch wunderbar poetisch ist auch Eric Emmanuels Erzählung „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ über einen arabischen Kolonialwarenhändler in einem jüdischen Viertel einer französischen Großstadt. Als Produktion der Werkbühne Berlin wird der Monolog, der auch durch eine gewisse virtuose Naivität besticht, in Vollrads Tonsaal in Mitte zu sehen sein. Ein ähnlicher Traumtänzer wie Monsieur Ibrahim ist vielleicht auch Herschel Sommerwind gewesen, den sich der jiddische Dichter Itzik Manger ausgedacht hat. Unsere trübsinnige Welt samt der schlechten Menschen, die sie bewohnen, hat er mit listigen Kinderaugen angeblickt und beschrieben. Am Hackeschen Hoftheater, wo man sich schon seit einigen Jahren dieses vergessenen Dichters angenommen hat, gibt es „Das wundersame Leben des Herschel Sommerwind“ zu sehen. Ganz verwandt klingt auch das Anliegen des New Yorker Extremminimalisten Robert Maxewell, dessen Stück „Caveman“ ebenfalls ab heute im HAU zwei zu sehen ist: Was bleibt vom Leben, wenn es bloß noch aus wirtschaftlichem Druck und sozialer Vereinsamung besteht.